Während den letzten Tage vor Weihnachten wehte ein kalter Wind und liess die Temparatur langsam, aber doch stetig unter den Gefrierpunkt fallen. In den den letzten Stunden der Nacht bildet sich ein dichter Nebel, wie er hier im Wasseramt typisch ist zu dieser Jahreszeit. Doch kurz nach dem ersten Tageslicht wird der Wind stärker und beginnt, den kühlen Schleier aufzulösen. Dann trägt der «Bisluft», wie wir ihn hier nennen, Wolken aus dem Norden über das Land, kein Sonnenlicht scheint auf die Erde und schon nach den ersten Stunden des Nachmittags beginnt es wieder zu dämmern. Ich nahm eine dicke Winterjacke aus dem Schrank, zog mir eine Zipfelmütze über beide Ohren und machte mich auf den Weg durch das Dorf, über den Acker, dem Wald entgegen. Noch war es hell, aber über dem Jura standen die Wolken schon ganz schwarz, liessen nur ahnen, wie tief die Sonne auf ihrer Bahn schon fortgeschritten war. Stetig und immer kälter blies der Wind, Tag und Nacht reichten sich die Hand und als ich wenig später den Waldrand erreichte, war das Dorf schon fast in der Dunkelheit verschwunden. Aber überall waren Lichter zu sehen, die Dörfler haben ihre Häuser mit Lichterketten und glitzernden Weihnachtsbäumen, mit leuchtend roten Bändern und Glaskugeln geschmückt. Festlich sind die Fenster mit Tannzweigen, Kerzen, Sternen und Weihnachtskugeln dekoriert. Ich stand da und blickte dem Dorf entgegen, das so schön und heimelig in der Winternacht leuchtete. Dann wandte ich mich um und ging in den Wald hinein.
Nun wird es ganz dunkel werden, dachte ich mir. Als ich aber ein Stück vorangekommen war und das Waldhaus erreichte, das in einer Schneise des Waldes steht, blickte ich zum Himmel empor. Da sah ich, wie der Wind die Wolken gelockert hatte und hier und da das Sternenlicht zu sehen war. Hell und klar glitzerten einige Sterne zwischen den Wolken am Nachthimmel und kurz darauf war zwischen den Ästen auch das silberne Licht des Mondes zu sehen. Nein, auch hier ist es nicht ganz finster, auch hier leuchtet ein Licht.
Ich ging ein Stück dem Waldrand entlang und bald sah ich vor mir wieder die Lichter des Dorfes. Wie ist doch Weihnachten eine besondere Zeit. Eine Zeit, die mit den schönsten Erinnerungen an die Kindheit verbunden ist. Eine Zeit, in der sich Wirklichkeit und Traum in einer Kinderseele vereinen. Ich weiss noch genau, wie mein Bruder und ich uns auf das Fest freuten. Schon am frühen Nachmittag waren wir ganz aufgeregt, mochten kaum warten, bis es dunkel wurde, bis wir zur Bescherung in die Stube durften um dem wundervoll geschmückten Weihnachtsbaum zu sehen. An den Ästen hingen glitzernde Weihnachtskugeln, Engelshaar und in Silberpapier verpackte Schokoladestücke, die wir an den folgenden Tagen abenehmen durften. Überall waren Kerzen befestigt, die das besondere Licht in den Raum zaubern, das es nur an Weihnachten gibt. Das für uns wichtigste lag freilich unter dem Baum: Die schön verpackten Geschenke, die wir nun endlich, endlich öffnen durften. Einmal waren wir am 24. Dezember so aufgeregt wegen dem nun greifbar nahe herangerückten Fest, dass unsere Mutter uns ins Bett brachte. Immer und immer musste sie die eine Frage beantworten: «Mami, wenn wird’s ändlich dunkel?» «Gli, Buebe, gli!» Einfacher mit uns hatte sie es, wenn «Baba» schon am Nachmittag da war, so nannten wir unseren Grossvater. Und Baba war ein besonderer Grossvater, wie kaum ein anderer vestand er es, mit uns zu spielen, immer wusste er etwas in Gang zu setzen, das für uns spannend und aufregend war! Hin und wieder wurden wir auch von Tante Marili besucht. Obwohl sie es gut mit uns meinte, spielten wir viel lieber mit Baba. Sie schenkte uns übrigens jedes Jahr dasselbe: Ein Paar Socken und ein Päckli mit Datteln. Später machten wir darüber Spässe, was eigentlich kein besonders schöner Zug ist.
Einmal durften mein Bruder und ich den Weihnachtsbaum im Dorf abholen, was für uns ein besonderes Erlebnis war, an das ich mich noch heute erinnnere! Warm angezogen stapften wir über den zugeschneiten Acker dem Dorf entgegen. Es war bereits finster und wir konnten von der «Host» aus die Lichter der Häuser sehen. Es muss gerade so wie hier und jetzt gewesen sein. Auf dem Markt angekommen nahmen wir den für uns reservierten Christbaum entgegen. Das war für uns wie eine wichtige und bedeutende Zeremonie! Hätte uns jemand von einem Ritter erzählt, der durch das Schwert geadelt wird, wir hätten dafür nur Verachtung übrig gehabt. Was ist das schon im Vergleich zu unserem Christbaum?
Dann nahmen wir unser «Böimli» und machten uns auf den Heimweg, dem Weihnachtsfest entgegen.