Machen wir zuerst einen Abstecher zu den Direktbetroffenen: hoch auf den Platanen im Kreuzackerpark erfreuen sich die Saatkrähen an ihrem Familienglück, kümmern sich liebevoll um ihren Nachwuchs und die beim Nest verharrenden Weibchen begrüssen den von der Futtersuche zurückkehrenden Partner mit freudigem krächzen und glucksen. Kurz: Die Tiere sind bester Dinge und scheinen den Nestraub vom vergangenen März vergessen zu haben.
Quelle: Wikipedia/Ulrich Prokop
Werfen wir als nächstes einen Blick auf das nur wenige hundert Meter entfernt Rathaus: dort ist die Stimmung nicht so ungetrübt wie auf den Platanenkronen, denn die Räumungsaktion vom 27. März hat für einigen Unmut gesorgt: laut Medienberichten hätten die Nester nicht angetastet werden dürfen, weil einige davon bereits Eier enthielten. Diese Berichte riefen prompt einige Vogelschützer auf den Plan. Auch Alex Oberholzer, Naturfreund und Gemeinderat, stiess die Aktion sauer auf, wie er selbst sagte. Er könne die Aktion des Jagdverwalters nicht akzeptieren, wonach er nach bestem Wissen und Gewissen entschieden habe. In einem offenen Brief forderte er von der Amtsvorsteherin Esther Gassler eine Stellungnahme.
Und was kam dabei heraus? Obwohl bei der Aktion einige Eier zerplatzt seien, was sehr bedauerlich sei, könne keine Verletzung der Sorgfaltspflicht ausgemacht werden. Soweit die Haltung der Solothurner Magistratin. Dann ist also alles in bester Ordnung? Mitnichten! Dies sagt neben verschiedenen Exponenten des Tierschutzes auch Frank Borleis, Beauftragter für Saatkrähen von der Vogelwarte Sempach. In einem Kommentar auf espace.ch, der leider nicht mehr abrufbar ist, geiselt Borleis die Aktion mit scharfen Worten. Borleis fordert, dass die Richtlinien zum Schutz der Saatkrähen eingehalten werden – auch in der Barockstadt.
Zu einer Anzeige wird es kaum mehr kommen. Auch weil sich der Verantwortliche öffentlich entschuldigt hat. Und das ist letzten Endes auch gut so, denn die Angelegenheit von den Kadi zu bringen, würde definitiv zu weit führen. Wie ich eingangs erwähnt habe, geht es den Krähen ja gut – und das ist schliesslich die Hauptsache. Es geht nicht um Paragrafen, Funktionäre oder um Politik; es geht um das Wohl eines Tieres, das trotz vieler Vorurteile und Anfeindungen bei vielen Menschen grosse Sympathien geniesst.
Und wer weiss, wenn im kommenden Jahr an einem schönen Vorfrühlingstag die Rathausfenster aufgestossen werden und vom jenseitigen Aareufer das Krächzen der Saatkrähen zu hören sein wird: vielleicht kommt dann jemand auf die Idee, dass es zum Vertreiben der schwarzen Vögel noch Alternativen geben könnte. Hoffen darf man ja immer…