Dieses Buch erzählt von einer Begegnung mit weitreichenden Folgen. Es ist die Begegnung zwischen Jake, der sein Geld seit einigen Jahren als Co-Pastor einer aufstrebenden Freikirche im sonnigen Kalifornien verdient, und John. Habe ich gerade den Begriff «aufstrebend» verwendet? Das stimmt leider nur zum Teil für Jake’s Leben, der Hauptfigur dieser Geschichte. Denn zufrieden ist Jake mit seinem Job schon lange nicht mehr. Damals, als er mithalf die City-Center Church aufzubauen, war alles noch ganz anders. Viele Menschen der Stadt fühlten sich vom Pioniergeist der jungen Gemeinde angezogen, es herrschte ein Klima des Aufbruchs und der lebendigen Gemeinschaft in Jesus Christus.
Aber dann wendete sich das Blatt. Die Gemeinde wuchs und wurde immer mehr von einem organisierten und geordneten Betrieb geprägt. Der Geist der Gemeinschaft wurde abgelöst durch eine eher unepersönliche, starre Kirchenadministration. Es gab Machtspiele bei den Leitern und Passivität bei der Mehrheit der Kirchgänger. Zuletzt wandten sich viele enttäuscht von der Gemeinde ab und organisierten sich in Hauskirchen. Jake ist wegen dieser Entwicklung frustriert. All sein Einsatz haben seine Beziehung zu Gott nicht vertieft, eher im Gegenteil.
Wer aber ist John? Dies ist eine Frage, die bis zum Ende des Buches nicht beantwortet wird. Nur eines ist gewiss: was John über Jesus Christus weiss, ist so verblüffend, dass Jake ihn im ersten Moment für den Apostel Johannes hält. Jesus wies ja Petrus darauf hin, dass Johannes bis zur Wiederkunft nicht stirbt, falls er, Jesus, dies will (Joh. 21, 21-22).
John hat auf Jakes Fragen Antworten bereit, die einfach und verblüffend, aber auch vollkommen überzeugend und schlüssig sind. Unser Problem ist, dass wir viel zu viel wollen, dass wir meinen, durch unser Tun Gott dazu zu bringen, dass er etwas für uns tut: do ut des. Aber genau das können wir gemäss John nicht. Was wir vielmehr tun können, ist uns Jesus anzuvertrauen, ihn immer wieder um Rat zu fragen und darauf zu vertrauen, dass er uns hilft. Die ist der Weg, auf dem unsere persönliche Beziehung zu Jesus wachsen kann, auf dem unser Leben eine sehr günstige Wendung nehmen kann und wird.
Aber wie geht es nun weiter mit den Problemen in der Gemeinde? Auch hier sind John’s Rezepte erstaunlich: Gemeinschaft kann gar nicht «geplant» werden, der sonntägliche Gottesdienst läuft Gefahr, zu einer Routine zu werden, die der Gemeinschaft abträglich ist. Für John ist es wichtiger, zuerst nach Gott zu fragen und eine familiäre Gemeinschaft zu pflegen, die ganz spontan entsteht und von gegenseitiger Liebe getragen wird. Jake hat mit diesen Vorstellungen zuerst Mühe: für sein gewachsenes Verständnis muss es eine Organisation geben; Menschen, die leitende Aufgaben übernehmen und das Gemeindeleben planen. Erst im Verlauf des Buches erkennt Jake, dass das Wichtigste, nämliche Zuneigung und Gemeinschaft in Gott auch in einem völlig ungezwungenen und familiären Miteinander entstehen kann.
«Der Schrei der Wildgänse» ist ein Buch, das inspiriert und viele Denkanstösse gibt. Liebevoll und mit einem Augenzwinkern weist es auf Probleme hin, die im Gemeindeleben entstehen können. Und das schönste daran: die Autoren haben Ideen und erprobte Rezepte zur Lösung, die so einfach wie wirksam sind und die jeder – auch für sich selbst – sofort nutzen kann. Aus dieser Perspektive ist das Buch der beiden Amerikaner keine Schrift gegen die etablierten Kirchen. Im Gegenteil: Es ist ein gelungenes Missionsbuch, das auf die Gemeinschaft wie auch auf Einzelne aufbauend und belebend wirkt.