Mit meinem ersten Internetzugang im Jahr 1993 war das Senden und Empfangen von E-Mails nicht nur die einzige Internet-Anwendung – das World Wide Web gab es noch nicht. E-Mail war längst nicht so einfach und schnell wie heute. Ausgerüstet mit einem 9600bps Modem musste ich mich mit einer Telnet Sitzung bei einem Provider in Bern anmelden, was nicht immer auf Anhieb klappte. Und hin und wieder wurde die Verbindung im alles entscheidenden Moment unterbrochen. Murphy lässt grüssen…
Sobald die Verbindung aufgebaut war und die LED’s am Modem flackerten, wurde ich freundlich von einem Shell-Prompt begrüsst ($>) und konnte mit dem Kommando «elm» das E-Mail Programm starten. Elm (Electronic Mail) war eines der ersten Mailprogramme, das durchgehend menugesteuert war. So musste man die bei den «Vorfahren» von Elm üblichen Kommandos nicht lernen – damals galt das als klarer Vorteil! Mit Elm können ganz einfach und interaktiv Mails ausgewählt, gelesen, beantwortet und archiviert werden. Der Ahne von Thunderbird und Evolution verfügt sogar über eine Seite, auf der alle wichtigen Einstellungen des Programmes angezeigt und verändert werden können. Darüber hinaus bietet Elm einige Features, die bereits an moderne MUA (Mail User Agents) erinnern: etwa das Einbinden einer Kalender-Datei.
Warum spreche ich nun über Elm, obwohl doch ein anderes Programm Linux Tool der Woche ist? Ganz einfach, Elm stand in direkter Linie Pate für mehrere textbasierte MUA’s, die sich auch heute noch grosser Beliebtheit erfreuen. Und zu diesen zählt neben PINE (heute: ALPINE) und Mutt auch Cone. Alle drei wurden in den vergangenen Jahren kontinuierlich weiterentwickelt, sie untestützen POP3 und IMAP, können mit MIME-Mails umgehen und zeigen – mit Einschränkungen – auch HTML formatierte Nachrichten an. Warum aber gerade Cone? Weil Cone in bezug auf Umfang und Bedienung der einfachste Vertreter der Gattung ist. Cone kann mit wenigen Schritten zu einem vollwertigen IMAP-Client gemacht werden. Die dafür erforderlichen Einstellungen lassen sich bequem und sehr einfach über Dialoge erfassen. Und wer trotzdem nicht weiterkommt, findet in der Mailbox «Help» detaillierte Hilfeseiten.
Wer auf eine Bedienung ohne Maus wert legt, wird an Cone seine Freude haben. Das programm kennt mehrere, geschickt gewählte Tastenkombinationen, die ausserdem in allen Teilen des Programmes ihre Funktion beibehalten. Wird Cone in eine Farbterminal gestartet, zeigt es sich zudem fröhlich bunt. Wem die Farben nicht zusagen, der kann sie im Hauptmenu verändern.
Welches sind nach der Installation die ersten Schritte mit Cone? Zu Beginn geht es darum, auf eine POP3 oder – besser – auf eine IMAP Mailbox zuzugreifen. Dazu wird im Hauptmenu die Option «N – NEW ACCOUNT» gewählt und dann der Typ der neuen Mailbox bestimmt:
Im dritten und letzten Schritt fragt Cone nach den Parametern für die Mailbox: Server, Login, Passwort und Verschlüsselung. Sind alle Parameter eingetragen, werden diese von Cone durch ein Test-Login geprüft. Das ist praktisch, da man so den Dialog bei fehlerhaften Daten nicht mehrfach aufrufen muss! Sofort nach dem erfolgreichen Login wechselt Cone in die Übersicht der neuen Mailbox. Angezeigt werden die Anzahl der neuen und gelesenen Mails, die zum Konto gehörenden Ordner und der Typ der Mailbox. Nach alter Väter Sitte wird nun der Cursor auf den gewünschten Eintrag positioniert und mit der Zeilenschaltung wechselt die Ansicht zur Liste der Mails. Zu jeder Nachricht werden Absender, Datum, Grösse und Betreff angezeigt. Flags in Form einzelner Buchstaben zeigen ausserdem den Status der Nachricht: N steht für Neu, R für beantwortet, x für Gelöscht, usw.
Am unteren Rand zeigt Cone ein Menu mit den verfügbaren Funktionen. Meist haben nicht alle auf dem Bildschirm Platz, deshalb wurden sie in zwei oder mehr Seiten aufgeteilt, zwischen denen mit Ctrl+O umgeschaltet werden kann. Natürlich sind auch die die Kürzel der englischen Sprache angepasst: [R]eply, [C]opy, [D]elete, [T]ake Address, etc. Das mag im ersten Moment etwas verstaubt wirken. aber wer sich an das Konzept gewöhnt hat, arbeitet mit Cone rasend schnell. Selbst Linus Torwalds schätzt bis heute die textbasierten Programme, er verwendet PINE.
Apropos Adressen: Ähnlich wie bei PINE können E-Mail Adressen sehr einfach aus einer Nachricht im Adressbuch gespeichert werden. Und das geht so: In der Nachricht oder Übersicht Take Address wählen, die Adresse und das zu verwendenden Adressbuch wählen, einen Kurznamen bestimmen – fertig.
Beim Verfassen einer Nachricht fallen einige Besonderheiten in’s Auge: Cone bietet einen integrierten Editor, der auch Blockoperationen und eine Funktion zum Formatieren des Textes kennt! Auch PGP wird unterstützt, Cone kann neben Verschlüsseln und Signieren auch verschiedene Public Keys in die Nachricht einfügen. Die PGP Integration in Cone verdient das Prädikat wertvoll.
Mit «Full Headers» können während dem Verfassen alle Headerzeilen der Nachricht angezeigt und – ungewöhlich – bearbeitet werden. Wird eine Zeile im Header verändert, fragt Cone nach dem Senden, ob die Aenderung im Header für neue Mails beibehalten werden soll. Ist die Nachricht fertig verfassst, kann sie mit Ctrl-X versandt oder mit Ctrl+O zwischengespeichert werden. Im Gegensatz zu PINE geht Cone per Vorgabe davon aus, dass versandte Mail zusätzlich in einem IMAP Ordner gespeichert werden sollen.
Was gibt es noch zu sagen zu diesem kleinen, aber sehr praktischen Tool? Natürlich kann mit lokalen Mail Ordner gearbeitet werden. Cone steht hier voll und ganz in der Tradition der alten UNIX-Mailer. Und natürlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass Cone alle Dateien und Einstellungen in einem eigenen Ordner ablegt. Wer will. kann die Einestellungen des Programmes auch mit einem Texteditor bearbeiten. UNIX eben.
Vor dem Testen die Mailbox unter /var/mail sichern. Cone legt das Verzeichnis ~/Inbox an und verschiebt alle Mails dorthin.