In Rüderswil wurde heute der Erntedankgottesdienst gefeiert. Pfarrer Johannes Weimann eröffnete die Feier mit einer Betrachtung, in der er von seinen Erlebnissen in der herbstlichen Erntezeit erzählte. So konnte er im Seeland beobachten, wie die Bauern damit beschäftigt waren, eine reiche Ernte einzubringen: mit Harassen, Baloxen und Säcken werden Rüben, Zwiebeln, Obst und Kohl geerntet, auf Wagen geladen und in die Scheune gefahren. Auch in seinem Heimatdorf, im oberaargauischen Herzogenbuchsee, konnte Pfarrer Weimann die Landleute bei der Arbeit beobachten. Wer aber ernten will, muss auch säen. Säen, das ist heute ein Prozess, bei dem computergesteuerte Maschinen zum Einsatz kommen, alles ist genau berechnet und abgewogen. Ältere Bauern aus «Buchsi» wussten aber zu erzählen, wie sie früher noch mit dem Säesack über das bereitete Feld schritten. Wer säet, muss Vertrauen haben, dass die Saat aufgeht, gedeiht und Frucht bringt. Aber auch Geduld, denn in der Natur braucht alles seine Zeit. Werden und Vergehen haben ihren eigenen Rhythmus im Kreis der Jahreszeiten.
Eine reiche Ernte, wer will darüber nicht dankbar sein und sich freuen? In Rüderswil wurde auch dieses Jahr die Treppe vor dem Taufstein mit vielen Erntegaben der Dorfbewohner geschmückt und nach dem Gottesdienst waren alle eingeladen, etwas davon mit nach Hause zu nehmen. Musikalisch begleitet wurde die Feier vom Organisten Heinz Born und von der Alphorngruppe Ahorn Heimisbach. Die stimmungsvollen und urchigen Alphornmelodien passten zu der Feier, ist doch das Spiel auf dem Hirtenhorn traditionell ein musikalischer Ausdruck des Dankes. Dank für einen langen Tag, an dem alles gelang. Wie heute auch als Dank für eine gute Ernte.
In seiner Predigt ging Pfarrer Weimann auf ein bekanntes Gleichnis ein, das beim Evangelisten Lukas mit den Worten eingeleitet wird: «Ein Bauer ging aufs Feld, um zu säen» (Lk. 8,5). Was kann uns denn dieses bekannte Gleichnis heute noch sagen? Natürlich ist der Saemann, von dem Jesus erzählt, ein Sinnbild für den gütigen Gott, der sich den Menschen zuwendet. Gott säet sein Wort, die gute Nachricht, wie ein Same aus und er lässt sich bei seiner Arbeit zusehen. Die Saat geht auf und wächst, wenn wir Gottes Wort mit offenem Herz aufnehmen und in uns gedeihen lassen. In seinem Gleichnis erzählt Jesus, dass einiges vom Saatgut auf den Weg fiel. Die Menschen hören es, nehmen es aber nicht an. Wieder andere Körner fielen auf felsigen Boden, wo sie zuerst aufgingen, dann aber verdorrten. Erinnert uns das nicht an unsere schnelllebige Zeit, fragte Johannes Weimann. Wir hören die Botschaft und nehmen sie – vorerst – freudig, ja mit Begeisterung an. Doch dann wenden wir uns wieder anderen Dingen zu. Es hat ja noch Zeit. Die Saat vertrocknet, bevor sie im Boden einwurzeln kann. Das Gleichnis fährt fort mit dem Hinweis darauf, dass einiges der Saat in Dornensträucher fiel. Sind Dornen nicht wie die Zweifel, die uns nach und nach in Besitz nehmen können, wenn wir die gute Nachricht hören? Und zuletzt erstickt das Saatgut.
Doch einiges von der Saat fällt auf guten Boden und bringt hundertfache Frucht. Dies gleicht dem Menschen, der mit aufrichtigen und breitwilligen Herzen das Wort hört und daran festhält.
Ist der Acker, von dem hier erzählt wird, wie ein Spiegelbild unseres Lebens? Es ist geprägt von Rückschlägen und Traurigem. So gleicht es einem harten, steinigen Boden. Doch dann schöpfen wir neue Hoffnung, unerwartet geht eine Türe auf und öffnet auch das Herz, damit es das gute aufnehmen kann. Wir gleichen nun der weichen Frühlingserde, die neues Vertrauen in Gott schöpft und die Saat aufnimmt.
Nach dem Gottesdienst erwartete die Kirchgänger ein milder Herbsttag, der zum Verweilen einlud, bei einem Spaziergang durch die bunten Wälder oder über die Felder, die nach frischer Erde riechen. Die Sonne hatte noch Kraft und löste bald den Morgenreif in glitzernden Tau auf. Und dann zog sie weiter auf ihrer Bahn und leuchtete bis in die Abendstunden über einem warmen, goldenen Herbsttag.