Auf einem Arbeitstisch können Unterlagen entweder ganz ordentlich nach dem Kachelprinzip nebeneinander und übereinander gelegt werden. Oder – etwas chaotischer – kreuz und quer durcheinander und aufeinander. Beide Methoden haben ihre Vor- und Nachteile. Ordnungsliebende Gemüter werden das erste Paradigma vermutlich vorziehen und alle Unterlagen schön säuberlich nebeinander legen und – wenn kein Platz mehr bleibt – sie so stapeln, dass wenigstens der obere Teil jedes Dokumentes noch zu sehen ist. Der dionysisch veranlagte Zeitgenosse lässt einfach alle Blätter auf den Tisch fallen und sucht sich das Gewünschte auf den Papiergewühl heraus. Suchen hat bekanntlich seinen Reiz… wir kennen das von den Wühlkisten im Ausverkauf.
Diese beiden Methoden des Anordnens von Unterlagen lassen sich auch auf dem Bildschirm des Computers beobachten. Hier werden Informationen in Fenstern angezeigt. Und Fenster können entweder geometrisch präzise nebeneinander liegen oder sich in beliebiger Grösse überlagern. In der Fachsprache sprechen wir auch von Fenstermanagern, die nach dem Tiling/Stacking (Kachelprinzip)- oder Overlapping/Flowing-Prinzip arbeiten. Als Computer noch über geringe Rechenleistung und wenig Speicher verfügten, waren Tiling Windowmanager klar im Vorteil, denn sie benötigen weniger Speicher und müssen sich nicht mit dem Verwalten der Inhalte in der Z-Achse abmühen. Später waren die Ressourcen nicht mehr das Problem und farbenfrohe Desktops mit vielen grafischen Benutzerelementen wurden zum Standard. Erst als die Displays mit dem Aufkommen der Smartphones wieder schrumpften, hielt die alte Bescheidenheit des Kachelprinzips wieder Einzug.
Vielleicht hat sich Marc Andre Tanner auch Gedanken über das Für und Wieder verschiedener Benutzer-Paradigmas auf dem Bildschirm gemacht. Sicher ist aber, dass er sich dabei nicht lange aufhielt und seine Energie in die Entwicklung von dvtm investiert hart, einer fantastischen Erweiterung für Linux Terminals. dvtm kann jedes Terminal in beliebig viele Fenster aufteilen, die nach dem Tiling-Prinzip strikte neben- und übereinander angeordnet sind. Jedes Fenster kann in seiner Grösse verändert oder gezoomt werden und in jedem Fenster läuft ein eigener Prozess der beim Start verwendeten Shell. Um die Rahmen und Stati der einzelnen Fenster anzuzeigen, verwendet dvtm einfachste Mittel: textbasierte Rahmen und Terminal-Farben. In bezug auf die nüchterne Einfachheit erinnert dvtm stark an dem spartanischen Fenstermanager dwm. Und tatsächlich verwendet dvtm einigen Code von dwm!
Auf dem meisten Linux Distributionen kann dvtm bequem über die Paketverwaltung installiert werden. Ist das kleine, praktische Tool dort nicht auffindbar, so muss der Quelltext heruntergeladen und kompiliert werden. Da dvtm zurzeit weniger als 4000 Zeilen Quellcode enthält, geschieht dies in wenigen Sekunden. Nach der Installation empfiehlt sich ein kurzer Blick auf die Homepage: dvtm wird mit Tastenkombinationen gesteuert, die stets mit derselben Kombination eingeleitet werden: Ctrl+g (in der Manpage «Mod key»). Ich bevorzuge eine andere Kombination, Ctrl+q, da diese Kombination mit der linken Hand einfacher auszuwählen ist, entsprechend starte ich dvtm mit:
dvtm -m ^q
Sofort ist auf dem Bildschirm eine Statuszeile zu sehen, die anzeigt, dass wir uns im ersten Fenster von dvtm befinden. Mit Ctrl+c kann ein weiteres Fenster geöffnet werden, mit Ctrl+j oder Ctrl+k kann zwischen den Fenster hin- und hergewechselt werden. Ctrl-m zoomt das aktive Fenster, Ctrl+Leertaste wechselt zwischen verschiedenen Ansichten. Usw. dvtm kann beliebige viele Fenster offen halten und dank der ausgeklügelten Bedienung ist jedes Fenster schnell fokussiert und auf die passende Grösse gebracht. Das schöne daran ist, dass dvtm die Aufteilung des verfügbaren Bereiches automatisch vornimmt und fast immer Kombinationen wählt, die den meisten Benutzern zusagt. So macht das Arbeiten mit verschiedenen Linux-Shells Spass und dvtm wird zu einem vollwertigen Ersatz für grafische Terminalemulatoren wie Gnome Terminal oder Konsole.
dvtm verfügt sogar über eine einfache Unterstützung der Maus: ein Klick in ein Fenster fokussiert dieses. Ein Rechtsklick minimiert das Fenster. Wer mit der Maus einen Bereich im Fenster markieren will, wird im ersten Moment enttäuscht, es scheint nicht zu funktionieren. Die Lösung: gleichzeitig Shift gedrückt halten, dann sind Copy/Paste Operationen wieder möglich.
dvtm ist ein kleines, praktisches Tool, das sich nahtlos in die grosse Auswahl an hilfreichen Linux-Tools einfügt. Wer sich einmal daran gewöhnt hat, wird es nicht wieder hergeben wollen.
thx for the hint!
i couldn’t get to know on how to specify the mod key the right way with ‚-m‘ flag for a while