Eines muss man anerkennen: Der Kugelschreiber ist eine geniale Erfindung. Die Technik des seit Jahrzehnten bewährten Stiftes ist denkbar einfach: zähflüssige und schnell trocknende Tinte gelangt durch eine kleine Kugel am Ende der Tintenmine auf das Papier. Schon ein leichter Druck genügt, um flüssig und schnell schreiben zu können. Die Tinte trocknet auf dem Papier sofort ein, es gibt keine Kleckser und kein Verschmieren. Nach dem zweiten Weltkrieg setzte sich der Kugelschreiber als Massenprodukt endgültig durch und verdrängte allmählich den Füllfederhalter, der fast 100 Jahre lang in den Schreibstuben das Schreibzeug erster Wahl war. Die Gründe dafür leuchten ein: Der Kugelschreiber war wegen der simplen Technik bald billiger als der Füllfederhalter, er war robust und deutlich weniger anfällig gegen Beschädigungen als der Füllhalter. Bei diesem kam es durch Pannen leicht zu verbogenen Federn, zu Tintenlachen auf dem Papier oder bei unsachgemässer Behandlung der Tintenpumpe zu Spritzern im Gesicht… Ferner trocknete die Tinte rasch aus, wenn die Kappe nicht aufgesetzt wurde. Und endlich musste Acht darauf gegeben werden, dass die frische Tinte auf dem Papier nicht verschmiert, mancher Linkshänder verzweifelte daran! Der Kugelschreiber hatte all diese Probleme nicht, er funktionierte sogar in Extremsituationen klaglos. Deshalb wurde er zum Schreibzeug des Alltags schlechthin. Kugelschreiber sind heute meist Wegwerfprodukte, die im Alltag kaum mehr wegzudenken sind, sie dienen als Werbegeschenk, sie werden bedenkenlos liegen gelassen oder mitgenommen. Sie sind omnipräsent.
Was also spricht dafür, dennoch mit einem Füllfederhalter zu schreiben? Der Preis kann als Argument nicht herhalten, denn es gibt im Handel gute «Füllis» für weniger als zehn Franken. Ein Kalligraph würde an dieser Stelle heftig protestieren, denn schönes Schreiben ist eine unangefochtene Domäne der Schreibfedern. Federhalter mit Wechselzugfedern, die je nach Zugrichtung der Feder einen unterschiedlich dicken Strich hinterlassen, stehen hier auch nicht zur Debatte. Es geht um die im Alltag zum Einsatz kommenden Gleichzugsfedern, die etwas leichter zu handhaben sind und auch von Linkshändern problemlos genutzt werden können. Sie hinterlassen auf dem Papier mit etwas Übung meist einen gleichmässigeren Strich als der Kugelschreiber und damit ein, wenn nicht schöneres Schriftbild, so wenigstens eines, das leichter lesbar ist.
Beim Schreiben mit einem guten Füllfederhalter ermüdet die Hand weniger schnell. Das liegt daran, dass die Feder fast ganz ohne Andruck schreibt. Der Füllfederhalter hat ein gutes Anschreibverhalten und beim Führen der Feder fliesst die Tinte gleichmässig, ohne abzusetzen. Deshalb ist der Füllfederhalter auch ein ideales Schreibgerät für Kinder. Sie ermüden weniger schnell und lernen das Schreiben als eine Aufgabe, die soviel Freude macht, wie sie auch Sorgfalt erfordert. Zudem wird der Füllfederhalter zu einem persönlichen Utensil, das gepflegt sein will und zu dem Sorge getragen werden muss. Wer schon als Kind auf der Schulbank mit einem Federhalter geschrieben hat, schätzt später den Fülli als persönliches Schreibzeug, das über Jahre seinen Dienst zuverlässig verrichtet und auch das Geschriebene stets mit einer individuellen Note versieht.
Heute ist oft das Argument zu hören, Füllfederhalter seien teuer und später ärgere man sich, wenn sie verloren gehen, was bei Schreibstiften tatsächlich gerne passiert. Wie bereits erwähnt stimmt dies nicht. Wer einen Füllfederhalter ausprobieren will, kann bereits für vier Franken bei der Migros einen erwerben. Am Anfang kratzt dieser zwar etwas, weil die Feder an der Spitze nur gefaltet ist und nicht über eine Iridiumspitze verfügt (was bei diesem Preis nicht erstaunt). Der in mehreren Farben erhältliche Fülli ist für den Alltag bestens geeignet: er nutzt Pelikan Patronen, hat ein Sichtfenster und die hinten aufgesteckte Kappe bleibt beim Schreiben auch dort, was bei vielen teuren Modellen nicht der Fall ist. Der Migros Füller hat ein gutes Schreibverhalten, die Feder funktioniert schon mit feinstem Andruck, nach dem Beschreiben einiger Seiten lässt auch das Kratzen etwas nach. Ein weiterer wichtiger Faktor ist das Gewicht: der Stift ist ohne Kappe nur etwa 10 Gramm schwer.
Wer einen qualitativ wertigeren Federhalter haben möchte, sei auf Lamy verwiesen. Das deutsche Traditionsunternehmen fertigt Füllfederhalter in hoher Qualität seit fast 100 Jahren. Die Federhalter vereinen ein gefälliges, wertiges Design mit einer hohen Schreibqualität. Hinzu kommt, dass Lamy Füller nicht teuer sind, es gibt sie bereits ab 50 Franken, Schulfüller wie den «Safari» schon ab 20 Franken.
Noch ein Tipp zum Schluss: Manche Füllfederhalter haben sogenannte Griffmulden, die dafür sorgen sollen, dass der Federhalter besser in der Hand liegt und nicht abrutscht. Bei Kindern, die das Schreiben erlernen, ist dies eine hilfreiche Vorrichtung, die das Schreiben erleichtert. Bei Erwachsenen sind diese Griffmulden eher hinderlich, da jeder den Stift etwas anders in der Hand hält. Linkshändern (wie ich einer bin) empfehle ich einen Federhalter ohne Griffmulden, dafür mit feinen Griffrillen, die das Rutschen des Stifts in der Hand verhindern. Die übliche Federgrösse ist M, die meisten Linkshänder können damit flüssig schreiben, eine Spezialfeder für Linkshänder ist nicht zwingend erforderlich. Manche Papeterien haben einen «Ausprobiertisch», auf dem verschiedene Füllfederhalter ausprobiert werden können.
Das stimmt, Kugelschreiber sind praktisch und günstig, ganz verdängt haben sie die Füllfederhalter aber noch nicht. Denn gerade für Kalligraphie oder Linien mit unterschiedlicher Stärke eignet sich der Füllfederhalter besser. Und er hat Style, jedenfalls für alle, die auf Retro stehen.
Kugelschreiber können aber auch stylisch sein. Es gibt sie in allen möglichen Formen. Ich habe schon Kugelschreiber in Kaktus-Form, als Spritze, Schokolade und sogar einen Kugelschreiber in Hotdog-Form angetroffen!