Jeremias Gotthelf und sein literarisches Werk sollen in der Bevölkerung wieder bekannter werden. Dies war das erklärte Ziel einer von der Universität Bern getragenen Gotthelf-Stiftung. Und um diese Ziel zu erreichen, wurde ein ehrgeiziges Projekt ins Leben gerufen: Das Gotthelf-Zentrum in Lützelflüh. Der schon zu Beginn detailliert ausgearbeitete Plan der Initianten sah vor, im historischen Pfarrhaus Lützelflüh ein Gotthelf-Museum einzurichten. Ferner sollten regelmässig Lesungen und andere Aktivitäten organisiert werden. Auch die Bevölkerung der umliegenden Gemeinden sollten in die Programme des Zentrums miteinbezogen werden: zusammen mit den Vereinen aus der Region waren zeitlich regelmässig angesetzte Freilichtaufführungen vorgesehen.
Soweit also zum Projekt. Und die Kosten? Die waren laut Ueli Bichsel, dem Projektleiter der Stiftung, beträchtlich: rund 322.000 Franken Betriebskosten – pro Jahr! Dieses Geld sollte gestützt von einem Millionebetrag aus dem Lotteriefond durch Sponsoring herbeigeschafft werden. Schliesslich sollte durch die Eintritte im Gotthelf-Zentrum ein Teil der Betriebskosten abgedeckt werden. Mit 6000 Besuchern pro Jahr wurde gerechnet. Ein ehrgeiziges Ziel!
Jeremias Gotthelf Denkmal in Lützelflüh
Das Projekt fand bei der Basis nur wenig Unterstützung und verlor in der Folge bald an Fahrt. Besonders die ungeklärte Kostenfrage weckte in der Öffentlichkeit Misstrauen. Wer muss denn bezahlen, wenn «ds Gäud fält», fragten einige besorgte Dorfbewohner. Ferner gab es Fragen zum Pfarrhaus: wo soll der Pfarrer wohnen wenn er das Pfarrhaus verlassen muss un für das Museum Platz zu machen? Und will Pfarrer Bieri das überhaupt? Ferner waren es die Vereine, die sich um ihre Unabhängigkeit Sorgen machten: würde ihnen das Zentrum die Unabhängigkeit beim Bestimmen des Theaterprogrammes beschneiden? Und endlich: Ist das Zentrum in dieser Form nicht doch eine Nummer zu gross für Lützelflüh? Das waren viele Fragen. Vom Projektteam war in der Folge Überzeugungsarbeit gefordert.
Die Promotoren des Gotthelf-Zentrum machten im Winter 2008/2009 aktiv Werbung für Ihr Projekt und suchten Unterstützung im Gewerbe, in der lokalen Politik und in der Bevölkerung. Vergeblich! Das Vorhaben stand seit dem Start unter keinem guten Stern und fand nie Halt in der Region. Den ersten, vorentscheidenden Dämpfer erlitt das Gotthelf-Zetrum in der von Ueli Bichsel geplanten Form am 11.März 2009 an der ausserordentlichen Kirchgemeindeversammlung in Lützelflüh. Bei der nicht nur medial vielbeachteten Versammlung in der historischen Kirche zu Lützelflüh ging es um viel: um das Gotthelf-Zentrum realisieren zu können, sollte für Fr. 610.000 ein neues Pfarrhaus gebaut werden. Der Kirchgemeinderat legte der Gemeinde dazu den Antrag für einen Baukredit vor.
Wie das Protokoll zeigt, gingen bei der Versammlung die Wogen hoch. Peter Baumgartner aus Grünenmatt stellte den Antrag, den Kredit nicht zu genehmigen, fand für sein Votum Unterstützung und brachte nach einer emotional geladenen Debatte und einer turbulenten Abstimmung den Kreditantrag zu Fall! Vorerst sollte es also in Lützelflüh kein neues Pfarrhaus geben! Es gelang dem Rat nicht, zwischen Gotthelf-Zentrum und Pfarrhaus zu trennen. Die hohen Kosten und die Frage, was die Gemeinde mit zwei Pfarrhäusern machen soll,wenn das Gotthelf-Zentrum «i ds Wasser gheit», dürften für den ablehnenden Entscheid den Ausschlag gegeben haben.
Am 15 Mai dann ein weiterer und entscheidender Rückschlag für das Zentrum: der Verein Region Emmental gab dem Gotthelf-Zentrum keinen Chance, weder Gemeinden, noch Unternehmer, noch die Öffentlichkeit könnten sich damit anfreunden. So der Wortlaut eines Briefes an die Stiftung. Und damit war das Ende des ehrgeizigen Projektes vorzeitig besiegelt.
Und das ist schade. Denn die Idee eines Gotthelf-Zentrums hat Zukunft und das Team um Ueli Bichsel hätte mehr Erfolg verdient. Doch wie geht es nun weiter? Das fragten sich einige Gotthelf-Enthusiasten aus Lützelflüh und Umgebung und trafen darauf den richtigen Entscheid: ein kleines, realistisches Projekte sollte es nun geben, mit einem kleinen Museum im Pfarrhaus. Das Team will einen bescheidenen Grundstein legen und dann, wenn die Idee Unterstützung findet, weiter ausbauen. Klein anfangen und dann wachsen; das klingt sympathisch und stimmt mit den Idealen des Dichters überein, um den es schlussendlich geht.
Dieser Blog unterstützt das Gotthelf-Zentrum in der neuen Gestalt. Denn eine Rückbesinnung auf das Wesentliche des Zentrums tut not: Jeremias Gotthelf, seine Bücher und seine Ideale den Menschen wieder näherzubringen. Die Bücher des berühmten Emmentaler Dichters haben nichts an ihrer Aktualität eingebüsst und begeistern immer wieder. Die bildhafte und kraftvolle Sprache des Pfarrers aus Lützelflüh ist einzigartig, seine Geschichten sind spannend und voller Leben. Kontrastreich und scharf, aber auch poetisch und mit dichterischem Reichtum zeichnet Gotthelf das Bild der Menschen seiner Zeit, mit ihren Sorgen und Freuden. Und als Volkslehrer und -erzieher weist er den Weg zu einem besseren Leben. Es sind Bilder, durch die auch wir lernen können und an denen wir uns freuen können.
Die aktuellen Entwicklungen rund um das Gotthelf-Zentrum stimmen zuversichtlich. Der Verfasser dieses Blogs blickt zuversichtlich nach Lützelflüh und wird wieder berichten, wenn das Projekt Fortschritte macht.