Alphörner sind wertvolle, handgefertigte und unverwechselbare Unikate. Sie können auch nach mehreren Jahren noch identifiziert werden. Dank einer Anzeige im Internet und eines aufmerksamen Käufers konnte ein fünf Jahre alter Alphorndiebstahl aufgeklärt werden.
Für die Akteure der Alphorngruppe Sumiswald sah alles nach einem Routineauftritt aus: die Freunde der Berner Sennenhunde feierten am 11. und 12. August 2007 ihr 100-jähriges Bestehen und luden am Samstag Abend die Alphornformation ein. Die Bläsergruppe begleitete mit urchigen Klängen die Feier, spielte am Abend im geräumigen Festzelt und alles sah nach einem rundum gelungenen Auftritt aus. Gegen 22.00 Uhr machte sich die Emmentaler auf den Heimweg, nur Walter H. blieb zurück, er wollte vor der Heimfahrt noch einen Kaffee trinken. Sein Alphorn liess er neben dem Festzelt liegen. Am späten Abend geschah dann das, was für die Alphornbläser bis zu diesem Zeitpunkt undenkbar schien: als Walter ebenfalls dem Heimweg antreten wollte, war das erst sieben Jahre alte Musikinstrument spurlos verschwunden! Jemand hatte es innerhalb der vergangenen 20 Minuten samt Futteral und Zubehör entwendet. Natürlich wurde umgehend das OK informiert und auf dem ganzen Areal eine Suchaktion gestartet. Diese blieb indes erfolglos und es verdichteten sich die Befürchtung dass das Alphorn gestohlen wurde. Walter meldete den Diebstahl schon am folgenden Morgen auf der Polizei, doch das 3.6 Meter lange Horn blieb auch in den kommenden Tagen verschwunden.
Da er nur dieses eine Alphorn besass, blieb Walter nichts anderes übrig, als ein neues Instrument zu bestellen. Doch dies brauchte Zeit, da der passionierte Volksmusiker wieder ein Horn aus der Alphornmacherei Bachmann wünschte. Walter musste rund ein Jahr auf das neue Hirtenhorn warten und sich in der Zwischenzeit mit Occasionhörnern behelfen. Der Verlust des Instrumentes schmerzte, nicht nur weil Alphörner sich mit den Jahren an den Bläser anpassen und einen eigenes Klangbild entwickeln. Etwas Trost fand Walter bei seinen Mitstreitern der Alphorngruppe, die ihn bei der Suche tatkräftig unterstützten. Bei einem Unteremmentaler Jodlertreffen heftete ein Freund sogar eine Diebstahlsanzeige an den Eingang des Festzeltes. «Das hat mich tief beeindruckt», bestätigte Walter auch noch Wochen später.
Alles Suchen blieb aber ohne Wirkung, das vermisste Alphorn tauchte nicht wieder auf und die Alphornbläser begannen sich damit abzufinden, dass das Instrument verschwunden bleibt. Eine Anzeige im Internet wurde aber stehen gelassen, denn es blieb eine leise Hoffnung übrig, dass doch noch ein Hinweis auf den Verbleib eintrifft.
Der Hinweis kam fast ein halbes Jahrzehnt später aus dem Kanton Glarus. Eckhard R., ein Musiker und Alphornist ersteigerte im Januar 2012 auf Ricardo ein Alphorn. Da der Verkäufer im Kanton Solothurn wohnte, wurde für die Übergabe das Autobahnrestaurant in Würenlos vereinbart. Eckhard war zum vereinbarten Termin am abgemachten Ort, es kam aber nicht der Verkäufer selbst, sondern eine Frau, die sich als Ehepartnerin ausgab. Gegen Barzahlung erhielt Eckhard ein verschmutztes und stark verstaubtes Instrument in einer braunen Segeltuchtasche. Schon zu diesem Zeitpunkt war dem Glarner der Kauf nicht mehr ganz geheuer, er liess sich vorsichtshalber den Kaufbetrag quittieren. Zuhause angekommen, begann Eckhard das Instrument zu reinigen und entdeckte dabei sonderbares: der Name des Besitzers auf dem Fuss war ausgekratzt und im Inneren des Futterals stand eine mit Kugelschreiber hingeschriebene Adresse aus Huttwil im Emmental. Eckhard begann im Internet zu recherchieren und fand bald die fünf Jahre alte Vermisstanzeige der Sumiswalder. Da diese ein detailliertes Foto enthielt konnte Eckhard. sofort feststellen, dass sein neu erworbenes Alphorn dasjenige sein musste, das im August 2007 gestohlen wurde. Das Holzbild auf dem Schallbecher seines Hornes war mit demjenigen auf dem Foto identisch. Eckhard rief erneut den Verkäufer an und erkundigte sich über die genaue Herkunft. Das Alphorn stamme von einem Onkel, der vor 10 Jahren verstorben sei, war die Antwort vom anderen Ende der Leitung. Dies räumte Eckhards Zweifel nicht aus, er wählte kurzentschlossen die Telefonnummer, die unter der Vermisstanzeige vermerkt war.
Das folgende Gespräch mit zwei Mitgliedern der Alphorngruppe Sumiswald schaffte endgültig Klarheit: Eckhard besass das gestohlene Instrument, die Inschrift im Futteral war die von Walter H. Da dieser inzwischen ein neues Instrument besass und sein altes Horn nicht mehr zurück haben wollte, wurde die Versicherung eingeschaltet. Da diese das 3000 Franken teure Instrument ersetzt hatte, war sie nun die rechtmässige Besitzerin. Für Eckhard war der bald eintreffende Entscheid der Versicherung erfreulich: sie erklärte ihn zum rechtmässigen Besitzer des Instruments und forderte den Fehlerbetrag per Polizeianzeige beim Verkäufer ein. Eckhard reiste einige Wochen später in das Emmental, um das verschmutzte und ausgetrocknete instrument revidieren zu lassen. Natürlich traf er sich auf dem Heimweg mit Walter und mit einem Duovortrag feierten die beiden den glücklichen Ausgang.