Wer durch das Emmental fährt, staunt immer von neuem: an Waldrändern, Hängen und mitten im Dorf stehen alte, hölzerne Zweckbauten, Wohn- und Bauernhäuser. Tiefragende Walmdächer, kunstvoll verzierte Lauben und variationsreiche Bernerbögen («Ründine») geben jedem dieser Häuser ein unverwechselbares Aussehen mit einem einzigartigen Hauscharakter. Manche der Holzbauten sind mehr als 200 Jahre alt und wurden von vielen Generationen behutsam erweitert und gepflegt. Die erste Sonderausstellung in diesem Jahr ist diesen hölzernen Kunstwerken aus alter Zeit gewidmet, oder: der Holzbaukunst im Emmental.
Fachbegriffe werden an einem Modell erklärt
Hohe Dächer bieten viel Platz
Wohn- und Bauernhäuser wurden stets mit den Materialien erbaut, die das Land hergibt. Im Emmental, einem an Nadel- und Laubwäldern reichen Gebiet, fiel die Wahl bis in das 20. Jahrhundert vorwiegend auf den Werkstoff Holz. Gebaut wurde bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ohne Bauplan, weitgehend nach dem Wissen und Geschick der ansässigen Zimmerleute. Die Wirtschaftsform, aber auch das Klima und das verwendete Baumaterial waren wichtige Faktoren für unterschiedliche Bauarten. Das heute als typisch geltende Emmentaler Haus ist ein Bohlen-Ständerbau mit steilem Halb- oder Dreiviertelwalmdach, das viel Platz für das von der Milchwirtschaft benötigte Heu bietet.
Die von Madeleine Ryser gestaltete Sonderausstellung im «Chüechlihus» zeigt eindrücklich ganz verschiedene Aspekte der Holzbau- und Zimmermannskunst der vergangenen Jahrhunderte. Vorgestellt werden auf Skizzen, Fotos und Texten nicht nur verschiedene Holzhäusertypen, Spycher oder Dachmodelle, die Ausstellung geht auch auf Details ein, die gerne übersehen werden. Wer hätte gewusst, dass die im Kanton Bern verbreitete «Ründi» städtischen Ursprungs ist und erst über das Pfarrhaus und die Mühle den Weg zum Bauernhaus fand? Ein Kurzfilm vermittelt ein spannendes Bild über die verschiedenen Phasen der Bauarbeiten in der Mitte des letzten Jahrhunderts.
Von einem guten Geist belebt
Wer die fachlich fundierten Texte liest, staunt über die vielfältigen Fachbegriffe der Erbauer. Aber ebenso auch über die althergebrachte Kunst dieser Handwerker, die es schon vor Jahrhunderten verstanden, Häuser zu bauen, die nicht nur gegen Wind und Wetter bestehen, sondern den Bewohnern auch dauerhaft Schutz und Sicherheit bieten. Schon Gotthelf sprach von einem guten Geist, der das Haus belebt. Mit demselben Recht darf auch vom guten Wesen des Holzhauses gesprochen werden, das vom Vertrauen in die bewährte Kunst der Erbauer zeugt. Und das mit seiner individuellen Ausprägung weit über die Landesgrenzen Berühmtheit erlangt hat.