Ich brauche einen Freund, denn aus eigener Kraft kann ich mich nicht aufrichten. Einem Baum oder einer Mauer gilt mein Sehnen, etwas, woran ich mich aufrichten, dem Himmel entgegen wachsen kann. Und habe ich meinen Freund gefunden, so halte ich zu ihm, lasse erst von ihm ab, wenn ich welke. Ich bin ein Sinnbild der Treue.
Ich bin kein Schmarotzer, habe ich doch meine eigenen Wurzeln, ich bin ein Bewegungskünstler, kann jedes Hindernis überwinden, finde gar einen Weg durch das dichteste Unterholz; kann mich dicht am Boden halten, bevor ich meine Zweige und Blätter dem lichten Äther zuwende. Ich kann bis zu den Wipfeln der höchsten Bäume klettern, kann selbst werden wie der Stamm eines kräftigen Baumes. Aber doch sind meine jungen Blätter immer klein, und zart, geschmückt wie von Engelshand. Und dann richten meine Blätter sich auf über dem grünenden Dach des Waldes, blicken in die blaue Ferne und hören den Ruf der Vögel.
Bacchus hat mich so sehr geliebt, dass er mich auf seinem Haupte trug, in der Hand den Becher mit sprühendem Wein. Wer mich trägt, dem schenke ich Erkenntnis und Wahrheit. Wer mich trägt, hat einen wahren Freund, denn ich bleibe auch dann grün, wenn der Winter sein Reich aufrichtet. Ich bin wie die Treue.
Manchmal sind die allerschönsten Dinge verborgen im Unscheinbaren.
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