Es ist ein idyllisches Bild: Fernab von menschlischer Betriebsamkeit grast eine Schafherde auf einer Alpweide; es ist still, nichts scheint die Ruhe an diesem schönen Ort zu stören. Die Schafe bilden eine grosse Gruppe, keines entfernt sich zu weit weg von der Herde, die Wollträger sind mit Grasen und Wiederkäufen beschäftigt. Doch plötzlich schrecken die Tiere auf, blicken unruhig zu einer nahe gelegenen Strasse und rennen dann alle zusammen fort, um sich an einem andere Ort auf der Weide wieder zu sammeln. Der Grund war ein Hund, der zusammen mit einer Wandergruppe an der Weide vorbeikam und die Schafe anbellte.
Wenn Tiere gejagt werden oder selbst jagen, kommt es zu Stress. Schliesslich geht es um nichts weniger als Sein oder Nichtsein! Ansonsten aber ist das Leben der Tiere weitgehend frei von Hatz und Unrast, sie leben im Rythmus der Natur, ihr Gang ist ruhig und harmonisch. Tiere kennen kein von Terminen bestimmtes Leben, sie leben den Augenblick, sie legen sich in die Sonne, dösen, stehen wieder auf, sammeln sich in der Dämmerung beim Schlafplatz und werden mit dem ersten Licht des Tages wieder aktiv. Sie leben im harmonischen Takt der Natur. Wie ganz anders ist das Bild, das wir in einer Stadt beobachten können, wo es nie genügend Zeit zu geben scheint! Es tut gut, den Tieren einen Moment zuzusehen; sie lehren uns einen anderen Blick auf die Zeit. Dies lässt sich beispielsweise auch bei einem Lama- oder Alpakaspaziergang beobachten: Während der Mensch in Gedanken schon am Ziel ist, lebt der Paarhufer in seiner eigenen Zeit, er hat es nicht eilig und wenn er am Strassenrand etwas Grünes entdeckt, das schmackhaft aussieht, dann nimmt er sich genügend Zeit für eine Fresspause.
Statt mit einer Game Console spiele ich viel lieber mit den Katzen. Sie können einem Spielzeug oder einem „Gudeli“ hinterherrennen, als ob es das wichtigste der Welt wäre! Sie leben ihre Jagdtrieb spielerisch aus, beobachten scharf und verfolgen ein rollendes Wollknäuel mit derselben Energie und Entschlossenheit, mit der sie auch Mäuse jagen! Warum finden wir das dann lustig? Ganz einfach: Tiere verstellen sich nicht, sie leben ihre Triebe, sie machen niemandem etwas vor. Tiere sind authentisch, aufrecht und ehrlich! Auf diesem Gebiet sind sie auch für uns Menschen unbestechliche Lehrmeister.
Es ist noch nicht solange her, da konnte ich beobachten, wie zwei Ziegen aus ihrem Gehege ausbüchsten. In Blickweite des Geheges gab es nämlich einen Garten, in dem Salate, Lauch, Rüebli und andere Delikatessen wuchsen. Die beiden Saanen Geissen bedienten sich sofort und als der Besitzer kam, liessen sich sich zwar vertreiben, aber nicht einfangen; sie sprangen einfach zum nächsten Garten… Mehrere besorgte Hobbygärtner liefen herbei und versuchten, die Tiere zu bändigen. Die wendigen Hornträger hatten daran offenbar ihren Spass, denn sie konnten die Fangbemühungen immer wieder vereiteln. Tiere haben haben eben andere Prioritäten als Menschen. Natürlich ist es für den Gärtner nicht schön, wenn der Salat gefressen ist! Aber von der Ziege kann eines gelernt werden: Wenn sich eine Gelegenheit bietet, dann warte nicht. Greif zu!
Noch im 19. Jahrhundert war die Meinung, dass Tiere keine Gefühle haben, weit verbreitet. Aber schon damals hätte jeder Hundehalter gerne bestätigt, dass dies nicht stimmen kann. Sie wissen, dass Hunde, wie auch andere Haustiere, die Gefühle und Emotionen anderer Lebenwesen spiegeln; sie zeigen Empathie, sind traurig, wenn wir es sind und freuen sich mit uns. Ausgeprägt zeigt sich dies auch bei Katzen, die die Gefühlslage eines vertrauten Menschen sofort erkennen und darauf reagieren. Im Buch „Meine Katze versteht mich“ schreibt Andrea Kurschus über die Spiegelneuronen; und darüber, wie sie Lebenwesen verbinden. Auch Beispiele gibt es zahlreiche: Etwa die Geschichte von Kater Leo, der sich rührend um ein junges, ausgesetztes Kätzchen kümmerte. Er sorgte für den jungen Kater „Streicher“, lernte ihn das Jagen und war immer bei ihm! Als Streicher auf eine tragische Weise ums Leben kam, suchte Leo ihn verzweifelt während vieler Wochen! Tier fühlen, empfinden, sie kennen Leid und Freud, das sollte im Umgang mit ihnen nie vergessen werden. Was wir von den Tieren hier lernen können: Gefühle verbergen kann manchmal hilfreich sein, oft schadet es aber!