Bradbury, Ray:
Als ich dieses Buch zum ersten Mal las, hatte ich ein beklemmendes Gefühl. Die Welt, von der hier erzählt wird, ist düster, bedrohlich und freudlos: in einem totalitären, konformistischen Staat wird alles der herrschenden Ideologie geopfert: Menschen werden zu willenlosen Schattenwesen, denen im Namen des allmächtigen, allsehenden Staates alles geraubt wird, was das Leben menschlich, freudvoll und sinnerfüllt macht. Aus den geknechteten Bewohnern des brutalen und gnadenlosen Einheitsstaates sind verängstigte Konformwesen geworden, deren Tagesablauf bis in’s Detail durchorganisiert ist. Und der seelenlose Staat kennt kein Erbarmen: wer sich nicht uniformiert und in das stetig mahlende Räderwerk einfügt, verschwindet spurlos. Eigeniniative, Kreativität oder selbstständiges Denken und Phantasie sind gefährlich und deshalb hat der Staat den Besitz und die Lektüre von Büchern verboten. Wer gegen dieses Gesetz verstösst, wir hart bestraft.
Vor dieser Kulisse wird die Geschichte des Feuer(wehr)mannes Guy Montag erzählt. Er gehört einer Spezialeinheit an, deren Mission darin besteht, Bücher jeglicher Art ausfindig zu machen und mit Feuer zu vernichten. gefundene Bücher werden in dem Haus, in dem sie entdeckt wurden, aufgeschichtet und anschliessend mit einem Feuerwerfer verbrannt. Das dabei auch das ganze Haus in Flammen aufgeht, wird akzeptiert. Fahrenheit 451 (232,78 °C) ist die Temparatur, bei der sich Papier zu entzünden beginnt. Von daher leitet sich der Name dieser Spezialeinheit ab.
Montag macht seine Arbeit, obwohl sie ihn anwidert. Bis eines Tages etwas passiert, das ihn zu verändern beginnt. In einer Nacht rücken die Feuermänner abermals aus, um einen grossen, durch Spitzel entdeckten Bücherbestand zu verbrennen. In dem Haus lebt eine alte Frau – sie nimmt den Überfall der schwarzgekleideten Brenner gelassen. Und als das Haus angezündet werden soll, weigert sie sich, es zu velassen. Es ist, als ob mit den Büchern auch ihr Wille zum Weiterleben vernichtet wurde. Und so kommt sie den Feuermännern zuvor, entzündet das ausgegossene Kerosin und stirbt in den Flammen. Dieses Ereignis wird zur Zäsur in der Erzählung und im Leben von Montag. Der Titelheld der Geschichte versucht zu ergründen, was den Zauber der Bücher ausmacht. Woher kommt diese heroische Entschlossenheit, mit der diese alte Frau den Feuerpolizisten furchtlos entgegentrat? Montag beginnt, Bücher nach Hause zu schmuggeln und zu lesen. Verbotenerweise. Faber, der Kommandant der Feuermänner bemerkt dies umgehend und stellt Montag nach. Doch dieser hat bereits begonnen, sich aus dem verhängnisvollen Getriebe zu lösen. Montag weigert sich, die Uniformität weiter mitzmachen; er besucht einen ehemaligen Literaturlehrer, der ihm hilft, aus der Stadt zu fliehen.
Als Montag flieht und das rettende Ufer eines Flusses erreicht, der die Stadt vom unbewohnten Umland trennt, hat er den Entschluss, den er bei der Begegnung mit der Bücherfreundin gefasst hat, in die Tat umgesetzt. Er hat der Konformität den Abschied gegeben und sich für die Freiheit und Menschlichkeit entschieden. Jenseits des Flusses trifft er am Ende der Geschichte auf Gleichgesinnte, die sich entschlossen haben, bedeutende Werke der Literatur zu retten, indem sie diese auswendig lernen und damit selbst zu lebendigen Büchern werden.
Diese Ereignisse sind es, die Licht in das Düstere dieses berühmten Romanes bringen. Die Erkenntnis, dass trotz aller Uniformität Menschen «Nein» zum drohenden Moloch sagen, ihre Seelenflügel ausbreiten und dem düsteren Grau des Konformismus davonfliegen, in die lichten Sphären der Phantasie und Freiheit. Fahrenheit 451 ist ein Roman, der den Leser fasziniert und immer von neuem ergreift. Er ist ein leidenschaftlicher zum Auflehnung gegen jeden Versuch, das Leben anderer Menschen bestimmen zu wollen.