Keine andere Feier kennt soviele Bräuche, Traditionen und Regeln wie das Hochzeitsfest. Das war früher nicht anders, unsere Vorfahren legten sogar noch mehr Wert auf deren Beachtung. Zuviel Übermut beim Feiern konnte aber auch vor dem Chorgericht enden! Wir blenden zurück und stellen einige alte und vergessene Hochzeitsbräuche und Rituale vor.
Zuerst sah man die beiden mehr als einmal zusammen am Tanzsonntag, dann hiess es, der Gerber Hans sei bald jede Woche nahe bei der Grossmatt gesehen worden. Und zuletzt verbreitet sich das Gerücht, demselben hätten am Samstag Abend ein paar Nachtbuben aufgelauert. Allein der Hans sei schlauer gewesen, hätte einen Umweg genommen und sei dank dieser List nicht die nächtliche Falle getrappet! Und nun war es also gewiss, dass aus den beiden, aus Grossmatt’s Annalies und Gerber Hans ein Paar wird. Schliesslich seien die Eltern der beiden mehrmals zusammengekommen. Und das hat etwas zu bedeuten!
In früheren Jahrhunderten war das Heiraten ein Ereignis, das die ganze Familie etwas anging. Verhandelt werden musste etwa, was den beiden in die Ehe mitgegeben werden soll, was die Braut als Morgengabe erhielt und was der Braut zum Trossel gespendet wird. Oder wie der Hausstand des jungen Paares organisiert werden soll. Das mag in unseren Ohren wenig romantisch klingen. Aber noch im 19. Jahrhundert war Heiraten Familiensache. Besonders auf dem Lande. Manche Ehe war mehr auf Familieninteressen denn auf Liebe gegründet. Aber eben nicht alle. Liebe ist die stärkste Macht auf Erden. Und so erfahren wir aus vielen alten Geschichten und Überlieferungen, dass junge Liebespaare ihre eigenen Wege gingen. Etwa in der schönen Überlieferung von der Tochter des Signauer Bärenwirtes. Sie verschmähte gegen allen väterlichen Willen den hochnäsigen Junker Ernest und wagte sich sogar mitten in das Kampfgeschehen von 1798 im Grauholz, um ihren Geliebten zu retten. Oder in Gotthelfs handfester Erzählung von Michels Brautschau. Diesem passieren auf der Suche nach einer geeigneten Partnerin die unmöglichsten Missgeschicke. Hätte er auf nur den Rat seiner Kindermutter gehört, es wäre ihm einiges erspart geblieben!
Viele alte Hochzeitsbräuche sind heute verschwunden oder nur noch in Bruchstücken erhalten. In Gotthelfs Meisterwerk «Geld und Geist» will Resli Annemarei als Ehepfand seine Taschenuhr geben. Diese lehnt jedoch ab, das sei viel zu auffällig. Also tauschen die beiden einen Berner Batzen. Diesen kann Annemarei in der Hand halten und ansehen, wann immer es will, ohne dass jemand etwas ahnt. Diese Anekdote mag seine Wurzeln im alten Ehepfand oder Ehepfennig haben. Das Ehepfand war kein gewöhnliches Geschenk, es war rechtlich bindend und somit von grosser Bedeutung. Ehepfänder waren von verschienster Art, neben Münzen und Silberringen sind auch Nasenlumpen und andere Dinge bezeugt. 1743 soll in Herzogenbuchsee ein Mädchen nur eine Baumnuss als Ehepfand erhalten und wurde deswegen ausgezäpfelt. Wir wissen auch, welche Ehepfänder im Haslital Sitte waren: die angehende Braut erhielt vom Bräutigam ein Brusttuch und überreichte dem Auserwählten im Gegenzug einen breiten Ledergürtel.
In Brienz und Umgebung gab es die «Chränzlete». Dabei wurden von der Hochzeitsgesellschaft am Abend vor der Trauung Kränze aus Zypressen, Nelken und Rosmarin geflochten. Die Aufgabe des Bräutigams war es, mit einem weissem Schurz die Gäste zu bewirten. Zum Höhepunkt der Feier gehörte der Moment, bei dem der Bräutigam seiner Braut den Kranz vom Kopf nahm. Ein Zeichen dafür, dass sie von den Ledigen in die Gemeinde der Ehefrauen übertritt. Apropos Bräutigam: schon im 19. Jahrhundert war es Usus, dass sich die Ledigen vor der Hochzeit im Wirtshaus zum Singen und Tanzen trafen. Den «Polterabend» gab es also schon damals. Gesungen wurde auch nach der Hochzeit, wenn die frisch Vermählten auf dem Heimweg waren. Dabei gaben ihnen Mädchen und Burschen mit Musik und Gesang das Geleit zum Brautbett. Allerdings war dieser Brauch verpönt. 1754 wurden drei Jugendliche vor dem Chorgericht mit je 10 Schillingen Busse bestraft, weil sie an einem Niedersinget teilnahmen und 1810 wurde der Brauch polizeilich verboten. Auch Jeremias Gotthelf fand keinen Gefallen daran. 1824 bezeichnete er als Vikar von Utzenstorf den Niedersinget als «einen der verderblichsten Missbräuche». Aber auch der überaus schlicht und unschuldig wirkende Brautkranz war ein Reizthema, durfte er doch nur von Jungfrauen getragen werden. Hochzeiterinnen, die schon Kinder hatten oder schwanger waren, mussten sich mit einem Strohkranz begnügen.
Noch heute werden im Emmental am Vorabend der Hochzeit Böllerschüsse abgefeuert. Was aber kaum jemand mehr weiss: schon in alten Zeiten wurde vor der Hochzeit zuerst mit Trychlen, später mit Feuerwaffen tüchtig Lärm gemacht. Damit sollte drohendes Unheil vom Brautpaar ferngehalten werden. In Meiringen fand dieser Brauch gar Eingang in die Kirche! Dort machten die ledigen Burschen durch Stampfen mit genagelten Schuhen einen ohrenbetäubenden Krach, nachdem der Pfarrer die Brautleute verkündet hatte.
Manche Bräuche gehen vergessen, andere wandeln sich und bleiben so erhalten. Wieder andere entstehen ganz neu, wie etwa das Fahren der Brautleute mit eleganten Sportwagen oder Oldtimern. Über alle Zeiten erhalten hat sich das Spalierstehen, das eine festliche Ehrbezeugung für das Brautpaar ist. Mit liebevoll geflochtenen Bögen aus Blumen und Bändern wird dem Jungen Paar der Weg in das gemeinsame Leben geebnet. Die Geste ist aber auch ein Zeichen dafür, dass das Paar auf seinem Weg nicht alleine ist. Ein schöner Brauch also!
Kehren wir noch einmal zu Gotthelf zurück. Die Erzählungen des grossen Volksdichters berichten auch von den verschiedensten Gewohnheiten und Bräuchen aus vergangenen Jahrhunderten. Im letzten Kapitel von «Uli der Knecht» gewährt Gotthelf dem Leser den Einblick in eine kirchliche Trauung seiner Zeit, in die von Vreneli und Uli. Mitten in der Nacht fahren die beiden mit dem Wagen los, denn der Weg zu Ulis Heimatgemeinde ist weit. Unterwegs beobachten Sie einen Schwarm Tauben, von denen zwei ganz weiss waren und direkt auf sie zuflogen. Das Paar deutete dies als ein gutes Omen. So kamen sie nach Ufligen und bald waren die hellen Kirchenglocken zu hören, die das Paar zur Hochzeit riefen: «Uli fasste sein Vreneli bei der Hand und wanderte mit ihm der Kirche zu. Feierlich tönten die feierlichen Klänge im Herzen wieder, denn der Siegrist läutete ordentlich die Glocken (…)» In der Kirche trafen die beiden eine Taufgesellschaft an, auch dies wurde aus gutes Zeichen gedeutet. Und dann war der grosse Moment da, der Pfarrer trat hinter dem Taufstein hervor, das Hochzeitspaar gab sich die Hände und knieete nieder: «und von ganzer Seele, ganzem Gemüte und allen Kräften beteten und gelobten sie, was die Worte sie hiessen (…).»
So berichtet Jeremias Gotthelf von einer alten Trauzeremonie. Und er vergisst nicht, auch die Gefühle des Paares zu beschreiben, als es nach der Trauung die Kirche verlässt, um Hand in Hand einem neuen, gemeinsamen Leben entgegen zu gehen: «es war einem jeden, als hätte es einen grossen Schatz gewonnen für’s ganze Leben.»