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Die Wiedergeburt der Homecomputer

Plötzlich sind sie wieder da, die kunterbunten 8-Bit Computer aus den 80er Jahren, aber auch andere technische Gadgets wie zum Beispiel Spielkonsolen oder Digitaluhren. Wieso eigentlich? Moderne Geräte sind doch besser, schneller und sicherer. Die Antwort hat denn auch eher eine emotionale Begründung: Weil diese Geräte aus vergangenen Jahrzehnten viele Menschen faszinieren; nicht nur diejenigen, die damals als Teenager tagelang in einem Keller sassen und tüftelten. Auch jüngere Generationen interessieren sich für den Blick in das Vergangene.

Soeben wurde eine Remake der Hamilton Pulsar 1 angekündigt. Der ersten Digitaluhr also, die vor genau 50 Jahren auf den Markt kam und mit den rot leuchtenden Ziffern ein neues Zeitalter einläutete. Wer als Trendsetter gelten wollte, trug eine Pulsar! Auch James Bond im Film «Live and Let Die» gehörte dazu. Sogar der schrullige Inspector Columbo war von der Uhr im futuristisch anmutenden Gehäuse begeistert.
CASIO reitet ebenfalls erfolgreich auf der Vintage-Welle, die Casio A158WA zum Beispiel ist eine Reminiszenz an die Ticker am Handgelenk, die in den späten 70er- und dann auch in den 80er Jahren mit ihrem Gepiepse allgegenwärtig waren. Sie waren das Gadget der Jugend: billig, trendig – und mit vielen technischen Spielereien. 

Aber wie steht es nun mit den eingangs erwähnten Homecomputern? Schon vor einem Jahr stellte die britische Firma Retro Games den «The C64 mini» vor. Der Name deutet es schon an: Es ist ein Computer der Spiele ausführen kann, die für den Commodore 64 entwickelt wurden. Und dies ist der berühmteste aller Homecomputer. Der «Brotkasten» wurde vermutlich weltweit mehr als 20 Millionen mal verkauft. Dem Mini-C64 war aber kein Erfolg beschieden, denn er nur halb so gross wie das Original und die Tastatur ist nichts weiter als eine Attrappe. Aber Retro Games hat aus diesem Fehler gelernt und nachgelegt. Rechtzeitig auf das Weihnachtsgeschäft 2019 erschien mit «The C64» ein Nachbau des legendären Heimcomputers in Originalgrösse und mit richtiger Tastatur, mit BASIC Interpreter und eben allem, was den Erfolg des Originals ausmachten: Farbgrafik, Synthesizer, eine breite Palette an Programmen und natürlich viele, sehr viele Spiele!

Commodore 64
Ein Commodore 64 mit Diskettenlaufwerk 1541

Natürlich verfügt der neue C64 nicht über die technische Ausstattung von damals, die verwendeten Chips (SID, VIC und MOS 6410) gibt es nicht mehr. Der «The C64» verfügt über zeitgemässe Technik, USB und HDMI. Er kann den C64 und den VC20 emulieren und er bietet 64 vorinstallierte Spiele. Wer also «daddeln» will, kann sofort nach dem Einschalten loslegen. Wer BASIC Programme schreiben möchte, kann diese auf einem USB Stick speichern. Der BASIC Interpreter entspricht zu 100% dem Original, wie auch die Geschwindigkeit, mit der die Programme ausgeführt werden. Einen Turbomodus? Ja, den gibt es!

Der zweite Nachbau ist der Sinclair ZX Spectrum Next. Er hat hat den ZX Spectrum zum Vorbild, auch diesen Computer gab es erstmals 1982 zu kaufen. Der Name sagt Ihnen nichts? Der ZX Spectrum ist der Nachfolger des ZX81, des ersten Homecomputers, der für jedermann erschwinglich war. Er kostet 1981 in England weniger als 100 Pfund. Als Bildschirm diente ein Fernseher, als Speicher ein Kasettenrecorder. Geräte also, die in jedem Haushalt zu finden waren. Aber: Der spartanisch ausgestattete ZX81 kannte keine Farben, keinen Sound, er hatte nur 1 Kilobyte Speicher und die Membrantastatur war mieserabel. Also reichte Sinclair ein Jahr später den Spectrum nach, einen tollen kleinen Farbcomputer mit Synthesizer. Wie beim «The C64» wartet der ZX Spectrum Next mit zahlreichen technischen Verbesserungen auf. Auch er richtet sich an Spieler, die Retro Games mögen, aber auch Technikbegeisterte, die das alte Homecomputer-Feeling noch einmal hautnah erleben wollen. 

Alte Computer und ihre Remakes sind und bleiben aussergewöhnlich. Die Originale von damals haben eine Technik, die überschaubar und für jeden nachvollziehbar sind. Wer kann das von einem modernen Handy oder Tablet behaupten? Vom ZX81 gab es sogar einen Bausatz, selber zusammenlöten war angesagt. Beim Handy kann nicht einmal mehr der Akku ausgewechselt werden, geschweige denn ein Chip, der damals noch auf einem Sockel sass! Remakes übernehmen einen Teil dieser Einfachheit, wenn es auch nur noch die 8-Bit Software ist! Und Remakes lassen besonders bei den nicht mehr ganz so Jungen Erinnerungen wach werden – Erinnerungen an den Frühling des Lebens, als aus den Boxen noch Musik von AC/DC, Rolling Stones oder Pink Floyd dröhnte.

Erinnerungen an die kleinen Piepser

Wussten Sie, dass die Smartwatches einen populären Vorgänger haben, der vor 30-40 für ein ganz neues Lebensgefühl stand? Ein kleiner Annäherungsversuch an ein Phänomen mit kleinen LCD-Ziffern und an eine Zeit, die zunehmend in Vergessenheit gerät.

casio

Welches ist der typische Klang, der die 70er und 80er prägte? Und erst verhallte, als ihn eine neue Technologie verdrängte? Die synthetischen Klänge der Homecomputer von Commodore, Texas oder Sinclair? Oder die elektronischen Spielzeuge, die mit ihrem quäkenden Lärm den letzten Nerv ausreissen konnten? Nein. der Klang, den ich meine, kam vom Handgelenk. Genauer: Von den digitalen Armbanduhren, die sich in den 70er Jahren anschickten, die Welt zu erobern. Sie waren schon damals weit mehr als ein prosaischer Zeitgeber für den Alltag. Die billigen, aber dennoch schmucken Digitalticker waren wesentlich mehr, sie wurden zum Sinnbild eines neues Lebensgefühles, für eine neue, digitale Welt; sie waren wie eine Verheissung zu einer aufregenden Technologie-Zukunft, die alte Grenzen sprengt.

Die faszinierende Geschichte der Digitaluhr beginnt in den frühen 70er Jahren. Es war die «Pulsar 1» von Hamilton, die für Furore sorgte, eine Armbanduhr, welche die Zeit auf Knopfdruck in rot schimmernden LED-Ziffern anzeigte – wenn auch nur für 1.5 Sekunden. Willkommen in der digitalen Zukunft! Der kleine elektronische Ticker hatte trotz etlicher Unzulänglichkeiten und eines hohen Preises einen bahnbrechenden Erfolg. Er fand den Weg in einen James Bond Film und wurde so über Nacht weltbekannt. Sogar der schrullige Inspektor Columbo erlag der Faszination, als er das technische Wunderwerk am Handgelenk eines technophilen Mörders entdeckte (Folge «Replay»).

Allein die digitale Armbanduhr wäre wohl eine zeitliche Anekdote geblieben, wenn nicht Longines 1973 das LCD Display erfunden hätte. Dank diesem konnte die Zeit ohne Unterbrechung angezeigt werden, die Batterie hielt trotzdem mehrere Jahre durch. Und LCD Displays waren billig herzustellen. Dies rief die fleissigen Japaner auf den Plan, Casio, Seiko und Citizen. Sie brachten innerhalb von wenigen Jahren Digitaluhren auf den Markt, die bald für weniger als 100 Franken zu haben waren. Und damit öffneten sie alle Schleusen. Billige, aber dennoch präzise und zuverlässige Zeitgeber kamen in den Krisenjahren der späten 70er gerade recht! Bald waren die Piepsgeräusche der Casio- und Seiko-Uhren omnipräsent, nicht nur in Schulzimmer.

Die japanischen Armbanduhren wurden billiger und billiger, warteten aber mit immer neuen «Bells und Whistles» auf. Und das ist wortwörtlich zu nehmen, etwa bei der Casio «Melody», die ihr Umfeld mit ganzen Melodiefolgen erfreuen konnte. Eingebaute Taschenrechner und Notizfunktionen bereiteten der Lehrerschaft zusätzliches Kopfzerbrechen. Denn jetzt war die Uhr Nervensäge und Spickzettel in einem. Und während ältere Semester zunehmend die Nase rümpften und sich wieder eine schicke Analoguhr leisteten, fanden Casio & Co. bei Teenagern offene Herzen. Wer «in» sein wollte, musste mindestens mit einer Basis-Casio aufwarten: Die Stoppuhr und der Timer waren das mindeste. Und während auf dem Pausenhof arglos kopierte Disketten mit C64-Games den Besitzer wechselten, wurde die neusten Ticker eifrig inspiziert!

Nur wer es selbst erlebt hat, kann dies in seiner ganzen Dimension erfassen: Während der US Präsident Ronald Reagan in den Nachrichten die Pershing Raketen lobte, sassen wir in einem verdunkelten Zimmer und interessierten und herzlich wenig für Weltpolitik. Wir sassen vor einem Fernseher, an den wir einen VHS Recorder angeschlossen hatten. Und dann schwebten Han Solo und Luke Skywalker mit dem Millenium Falcon durch die Galaxien, die Starwars Filme waren für uns eine Offenbarung. Weg vom grauen Alltag öffnete sich die Weite und Faszination des Alls, die hell schillernde Welt der Science-Fiction. Und, dies ist ganz bedeutend: Mit der Casio oder Seiko am Handgelenk waren wir selbst ein Teil von diesem neuen Lebensgefühl. Die Uhr gab und das Gefühl, nicht nur dabei zu sein, sondern mittendrin.

Irgendwann wurden wir älter und die Regenbogenfarben der 80er Jahre verblassten. Mit unserem Erwachsenwerden kam das Handy. Die neuen Trendsetter wollten keine Armbanduhr mehr, erst recht keine auffälig billige! Zudem konnte das Handy alles, was eine Casio «Databank» konnte – und noch einiges mehr! Die 90er Jahre kamen und mit ihnen die stabilen «GShock» Uhren, die das vorläufige Ende der Faszination für die Digitaluhren einläuteten. Dann wurde es zunehmend still um Citizen & Co.

Und heute? Heute will die Smartwatch den Platz der Digitaluhr endgültig einnehmen. Aber eigentlich wirkt sie neben einer Casio mit Taschenrechner trotz all ihrem technischen Protz ziemlich farblos. Woran liegt das? Ganz einfach: Die modernen Smartwartches sind Retorten-Erzeugnisse. Sie existieren, weil Apple, Samsung und Motorola sie am Markt etablieren wollen. Die Uhren, deren Akku schon nach einem Tag schlapp macht, sollen ein neues Kundenbedürfnis wecken. Dies fällt ihnen aber weiterhin schwer, denn ausser einer Verlängerung des Smartphones zum Handgelenk bieten sie keinen echten Mehrwert. Wie ganz anders war da der Siegeszug der Digitaluhr. Sie erfüllte gleich mehrere Kundenwünsche einer ganzen Generation. Und sie stand am Beginn der Digitalisierung unseres alltäglichen Lebens. CD-Player, DVD, Computer und Internet folgten.

Das ist wohl auch der Grund, weshalb Casio noch einmal nachgelegt hat. Digitaluhren im Retro-Style der 80er Jahre sind wieder erhältlich und stehen bei Amazon ganz oben auf der Erfolgsliste verkaufter Uhren. Die Casio A158WA zum Beispiel. Sie hat ein Stahlgehäuse und kostet trotzdem weniger als 30 Franken. Zwar kann sie keine SMS empfangen und keine Whatsapp-Nachrichtren versenden. Aber die integrierte Batterie hält für mindestens sieben Jahre! Welche Smartwatch kann das?