Engel sind geduldige Wesen, das jedenfalls sagt es ein schönes deutsches Substantiv, das stets dann zu hören ist, wenn jemand einen aussergewöhnlichen Langmut beweist. Wer prophetisch redet, tut dies mit Engelszungen, wer schön singt hat eine Engelsstimme und – eben – wer nicht so schnell aus der Haut fährt, ist mit Engelsgeduld gesegnet!
Nun gibt es in der Bibel ein Ereignis, bei dem der Engel Gabriel nicht besonders geduldig zu sein scheint. Es geschah, als er Zacharias im Tempel überraschte, als sich dieser anschickte, ein Räucheropfer darzubringen. Als der Erzengel ihm eröffnete, dass seine Frau schwanger wird, hatte Zacharias mehr als nur leise Zweifel, denn seine Frau Elisabeth war betagt und kinderlos. Als Zacharias dem Himmelswesen seine Bedenken erklärte, fackelte der Himmelsbote nicht lange. Er eröffnete dem fragenden Priester den göttlichen Plan und und strafte ihn dann wegen seines Unglaubens kurzentschlossen ab: «Du wirst verstummen und nicht reden können bis auf den Tag, da dies geschehen wird». Geduld geht anders!
Fairerweise müssen wir nun ein anderes Ereignis erwähnen, über das Lukas ein paar Verse später berichtet. Gabriel macht auch bei Maria einen Besuch. Was er ihr verkündet, klingt in den Ohren eines Rationalisten ziemlich unglaubwürdig! Und auch Maria ist nicht sofort überzeugt, als sie erfährt, dass sie ohne verheiratet zu sein schwanger werden soll. Heute würde man darin kein Problem sehen, aber damals war das noch etwas anderes! «Wie soll das geschehen?», fragte Maria den Geflügelten. Und diesmal bleibt Gabriel umgänglich. Er bringt den heiligen Geist ins Spiel und sagt etwas, was wir auch heute gerne glauben dürfen: «Alles ist möglich bei Gott!»
Warum diese Ungleichbehandlung, die heutzutage sofort eine Gleichstellungsbehörde auf den Plan rufen würde? Ganz einfach, Gabriel hatte bei Maria eine andere Erwartungshaltung als bei Zacharias. Zacharias war ein erfahrener Priester, der Theologie studiert hat. Gabriel setzte bei ihm so etwas wie einen spirituellen Scharfsinn voraus – und wurde offensichtlich enttäuscht! Und was er bei Zacharias vergeblich suchte, fand er bei Maria, denn sie reagierte geistesgegenwärtig: «Mir geschehe nach seinem Willen». Das heisst, dass sie Gabriel voll und ganz vertraute! Vertraut hat natürlich auch Zacharias, wer’s nicht glaubt, möge die Verse 21-23 desselben Kapitels lesen.
Engel haben Geduld – viel Geduld, diese brauchen sie dringend, wenn sie mit uns Menschen zu tun haben. Uns kann die Geschichte zudem noch folgendes mit auf den Weg geben: Gott hält sein Versprechen! Er hat es bei Zacharias getan, als er ihm die Sprache bei Johannes Geburt wieder schenkte. Und wenn wir ihm vertrauen, enttäuscht er auch uns nicht.