Kehren wir noch einmal zurück in das Jahr 1816, in weiten Teilen Europas herrschte wegen des nasskalten Wetters der Hunger. In seinem neuen Roman «In einem kalten Land» beschreibt Werner Adams einige Einzelschicksale aus dieser Zeit im Berner Seeland. In dieselbe Zeit, in das Jahr 1815, fällt auch die Gründung der ersten Talkäserei des Kantons Bern. Sie wurde auf Initiative des Berner Patriziers Rudolf Emanuel Effinger von Wildegg in Kiesen gegründet. Das nationale milchwirtschaftliche Museum in Kiesen erzählt von dieser Gründungszeit und darüber, wie Käse vor 200 Jahren hergestellt wurde.
In der Festschrift zum zweihundert-jährigen Jubiläum kommt auch Herbert Riem, der Geschäftsführer der Weinkellerei Riem, Daepp & Co. zu Wort. Seine Vorfahren haben die Gründung der Käserei miterlebt. Die Gründungszeit sei eine turbulente Epoche gewesen, berichtet der Unternehmer. Gerade sei Napoleon mit seinen Truppen abgezogen nachdem er 1798 in die Schweiz eingefallen war und den Berner Staatsschatz geplündert habe. Im Jahr 1815 endete Naopleons Herrschaft nach der Niederlage bei Waterloo endgültig, nach Kriegswirren war der Weg frei, Europa neu zu ordnen und zu befrieden. Und dann geschah etwas, das gemäss Herbert Riem die Gründung neuer Talkäsereien begünstigte: Vom 5. bis zum 10. April 1815 kam es zu teils heftigen Ausbrüchen des Vulkans Tambora in Indonesien. Grosse Mengen Staub und Schwefel gelangten in die Stratosphäre und veränderten das Klima. Das Hungerjahr 1816 ist eine direkte Folge dieses Vulkanausbruchs.
Effingers Idee, Talkäsereien zu gründen, kam gemäss Herbert Riem gerade recht, denn «das Gras, die Futtergrundlage für das Vieh, wuchs munter weiter, während das Getreide und die Kartoffeln verdarben.» Also haben man Kühe besorgt und aus der Milch haltbaren Käse hergestellt.
In den folgenden Jahren erlebten die Berner Talkäsereien einen beispiellosen Aufschwung, das «Käsefieber» brach aus, wie Jeremias Gotthelf in seiner heiteren Erzählung «Die Käserei in der Vehfreude» schreibt. Die Boomjahre dauerten bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts, als der Wiener Börsenkrach von 1873 dem Käsefieber ein jähes Ende bereitete. Fortan war es zwar immer noch möglich, mit Käseexporten gutes Geld zu verdienen. Zunehmende Konkurrenz und Kriege vor und nach der Jahrhundertwende erschwerten aber den Export.