«Lies eine Tageszeitung, dann weisst Du Bescheid über das, was in der Welt passiert und kannst mitreden», diesen Rat gab mir einmal ein Freund. Und, das muss hier angefügt werden, es war ein guter Rat! Aber ich bekam ihn irgendwann um 1982, vor fast 40 Jahren! Das Internet gab es damals noch nicht und Zeitungen trennten noch scharf zwischen Bericht und Kommentar, oft gab es zudem aufwendig recherchierte Hintergrundberichte. Kurz: Die Lektüre einer Zeitung konnte sich lohnen. Ist das auch heute noch so? In den vergangenen Jahrzehnten hat sich medientechnisch vieles verändert; es ist deshalb nicht falsch, diese Frage neu zu stellen, zumal Zeitungen wesentlich stärker unter Druck stehen als damals. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Zahl der Abonennten geht teils dramatisch zurück, was zur Folge hat, dass es weniger Werbeeinnahmen durch Inserate gibt. «News» sind etwas, das überall und jederzeit verfügbar ist – und nichts kostet! «News» sind systematisch abgewertet worden.
Falscher «Point of View»
Um im Onlinegeschäft Werbeeinnahmen zu generieren, benötigen die Medienhäuser möglichst viele Klicks auf ihren Nachrichtenseiten. Das wird mit fetten Schlagzeilen erreicht, mit Meldungen über Meier und Müller, die sich vor Gericht streiten, mit News über Stars und Sternchen, mit Meldungen über Politiker, die angeblich wieder einmal etwas dummes gesagt haben! Fachleute verweisen bei den immer schneller getakteten Nachrichten gerne auf den Salienz-Effekt, dieser bezeichnet ein herausragendes Merkmal, das mehr Aufmerksamkeit erhält, als es eigentlich verdient! Das Problem daran: Das Wesentliche eines Vorfalles bleibt unerwähnt, langfristige Entwicklungen, historische Fakten oder wichtige Kausalzusammenhänge werden übersehen. Kurz: der Blickpunkt, von dem aus die Welt betrachtet wird, ist falsch, weil er das Grelle und Schrille betont!
Schalten Sie ab
Viele von uns kennen den berühmten Satz von Mark Twain: «Wenn du keine Zeitung liest, bist du uninformiert. Liest du die Zeitung, bist du falsch informiert.» Und nun folgt ein Experiment: Was geschieht, wenn wir mehrere Wochen vollständig auf Nachrichten verzichten? Das bedeutet: Keine Tageszeitung, keine Nachrichten im Fernseher und Radio und schon gar keine Online News, die erwiesenermassen die schlechteste Qualität haben. Die Antwort ist verblüffend: es passsiert – nichts nachteiliges! Wir wissen über die wesentlichen Geschehnisse trotzdem Bescheid, weil wir sie von Freunden, Verwandten und Arbeitskollegen vernehmen. Das soziale Umfeld wird gewissermassen zu einem Nachrichtenfilter, der alles aussiebt, was nicht wichtig ist. Und reduziert die Meldung auf den Kerninhalt: Maurer hat Trump besucht, Schweiz verliert Fussballspiel, Samsung stellt faltbares Smartphone vor.
Leser mögen nun einwenden, dass dies nur die dürren Gerippe der Nachrichten sind, was natürlich richtig ist! Hier ist der Punkt erreicht, an dem wir über die Relevanz der «News» für uns selbst entscheiden können: Ist es wirklich so wichtig zu wissen, dass ein Präsident irgendwo in der Welt abgewählt wurde, dass ein Sportler zurücktreten will oder dass Flugzeuge in Montral wegen dem schlechten Wetter stundenlang auf den Start warten mussten? Wenn etwas interessant erscheint, dann sei an dieser Stelle ein Hintergrundmagazin empfohlen, dass im Wochen- oder Monatstakt gut recherchierte Reportagen publiziert: Sachlich, politisch möglichst neutral und unaufgeregt. Das ist viel besser, als sich stündlich von dicken Schlagzeilen irritiren zu lassen.
Die versprochene Stille
Der Titel dieses Beitrages lautet «Befreit vom Medienlärm», daraus müsste doch folgern, dass es stiller wird. Und das wird es tatsächlich; jedenfalls ist dies die Erfahrung, die ich in den vergangenen zwei Monaten machen konnte. Ich habe bewusst auf Nachrichten jeglicher Art verzichtet und habe bis heute nicht den Eindruck, etwas wichtiges verpasst zu haben. Eigentlich gibt es nur postive Folgen: Ich habe wieder mehr Zeit für andere Dinge, wass nichts anderes bedeutet als dass der Nachrichtenkonsum die Zeit raubt! Ferner – und dies scheint mir das wichtigste zu sein – ich fühle mich innerlich ruhiger und entspannter. Medien-Nichtkonsum fördert die Gelassenheit. Warum? Ganz einfach: Haben sich sich nicht auch schon selbst dabei beobachtet, wie Sie sich über eine Schlagzeile geärgert haben? Und dies obwohl der Inhalt der Nachricht für Sie selbst vollkommen irrelavant war?
Mein Rat also: Schalten Sie ab, schauen Sie weg, hören Sie nicht hin und geniessen Sie die Stille, in der bekanntlich die Kraft liegt.