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Warum Wearables an Bedeutung gewinnen werden

Smartwatches, aber auch ihre kleinen Brüder, die Fitness Tracker, dürften in den kommenden Jahren zulegen. Unter anderem deshalb, weil sie wesentlich mehr leisten werden als heute.

Vor wenigen Wochen war Google wieder einmal auf Einkaufstour und schnappte sich für 2.1 Milliarden Dollar Fitbit, einen der weltweit grössten Hersteller für Smartwatches und Fitness Tracker.  Google arbeitet schon seit einigen Jahren an einem Betriebssystem für Uhren, mit dem Erfolg hapert es aber noch! Und so ist es verständlich, dass Google tief in die Tasche gegriffen hat. Der Suchmaschinen Primus verfügt jetzt mit einem Schlag über alle Ressourcen, um im wachsenden Markt der «Wearables» (tragbare Geräte) erfolgreich mitmischen zu können. Google hat gegenwärtig wieder eine reale Chance, um mit Apple gleichziehen zu können; der IPhone Hersteller hat Google längst stehengelassen und dominiert den Markt der Smartwatches nach Belieben. Es dürfte aber noch einen anderen Grund geben, weshalb sich Google Fitbit einverleibt hat. Smartwatches werden in einigen Jahren vermutlich an Bedeutung gewinnen, eventuell sogar zu einem der wichtigsten Gadgets im Alltag werden.

Fitness Tracker: Fitbit Charge 3
Natürlich gehört er nicht hierher, sondern an das Handgelenk: Ein Fibit Charge 3 Tracker

Smartwatches kommen nicht vom Fleck…
Wir haben’s gehört! Bei vielen IT Konzernen sind Smartwaches etwa das, was beim Gemischtwarenhändler nicht so recht «gehen» will. Deshalb liegt es prominent in der Auslage – vielleicht kommen ja Kurzentschlossene vorbei, die dann spontan zugreifen. Vielleicht. Techblogs haben analysiert, weshalb die computergesteuerten Uhren am Handgelenk nur wenige Käufer finden. Deren Ergebnisse können an dieser Stelle kurz zusammengefasst werden: Erstens bringen Smartwatches keinen echten Mehrwert, sie sind eine Art Fernsteuerung für das Handy. Zweitens sind, resp. waren sie teuer. Und drittens müssen sie nach einem oder zwei Tagen aufgeladen werden, was keinen Spass macht, zumal man sie nachts für die Schlafanalyse nutzen möchte. Nun könnte man einwenden, dass Smartwatches inzwischen besser geworden sind und vielversprechende Verkaufszahlen vorgelegt werden können. Das stimmt, aber wirkliche Erfolge sehen anders aus!

…Und werden vom Fitness Tracker überholt!
Unterstützung bekam die Smartwatch vor wenigen Jahren von einer eher unerwarteten Seite: Von den Fitness Trackern, auch Activity Tracker genannt, hierzulande gerne auch als Fitness Armband bezeichnet! Der Grund dafür leuchtet ein: Fitness Tracker bieten vom ersten Moment an einen Mehrwert: Sie zählen die Schritte, berechnen die verbrannten Kalorien, messen den Puls und wissen am Morgen, ob wir gut geschlafen haben. Ferner haben sie den Smartwatches einige wichtige Funktionen abgekupfert: Benachrichtigungen vom Smartphone anzeigen, digitales Bezahlen und «Widgets», kleine Programme also, die den Funktionsumfang erweitern. Ausserdem sind Fitness Tracker günstig, sehr günstig sogar! Der Xiaomi Mi Band 4 beispielsweise kostet nur noch rund 40 Franken. Den Honor Band 5 ist auf Amazon sogar für weniger als 30 Franken zu haben. Und beide sind keine unzuverlässige Billigware, sie können spielend mit der deutlich teureren Konkurrenz mithalten.

Eine alte Weisheit bewährt sich
Im Team ist man stärker, diese Erkenntnis ist uralt. (Schon die Turmbauer in Babel kannten sie, wenn da nur die Sprache nicht gewesen wäre). Und sie bewährt sich auch bei den Smartwatches und Trackern. Vom Erfolg der Fitnessbänder beflügelt, legen die smarten Uhren zu. Sie profitieren von den Preissenkungen und von den Fitness Funktionen, die selbstverständlich geworden sind – zu Beginn waren sie es nicht! Es findet zudem eine Art Symbiose statt: Tracker haben heute Farbdisplays und wohl bald auch vollwertige Betriebssysteme wie Google’s Wear OS. Im Gegenzug werden Smartwatches leichter, sie verkraften ein Schwimmtraining und die Preise sinken; gute Smartwatches gibt es heute schon ab 150 Franken.

Wirklich «smart» müssen die Uhren noch werden
Nun aber zurück zu einer Eingangs aufgestellten Behauptung: Weshalb werden Smartwatches und ihre kleineren Brüder, die Fitness Tracker, bald an Einfluss gewinnen? Wer die Entwicklung der Smartphones der vergangenen Jahre beobachtet hat, kennt die Antwort im Grunde schon. Die Hersteller haben eine stagnative Phase erreicht. Das bedeutet, dass es zurzeit keine wirklich Aufsehen erregenden Entwicklungen gibt, wenn wir von den faltbaren Geräten absehen. Die Ingenieure verbessern die Kameras, feilen an der Software und zerbrechen sich den Kopf darüber, wie die Leistung des Akku in den immer dünner und leichter werdenden Geräten verbessert werden kann. 

KI am Handgelenk
Die Lösung des Problems? Man verlagere den Fokus vom Smartphone weg und hin zur  Smartwatch, die den Titel «Smart» (klug) eigentlich noch gar nicht verdient. Wie wäre es denn, wenn sie wesentlich mehr tut, als nur am Handgelenk zu hängen und den Puls zu messen? Die Uhr könnte auf Sprachkommandos und auf Gesten mit der Hand reagieren. Seien wir ehrlich: Jedesmal, wenn der Griff zum Handy ausbleiben kann, ist dies im Alltag ein Gewinn! Wenn die Uhr ständig am Handgelenk ist, dann könnte sie ja Informationen über unsere Gewohnheiten  sammeln: Aufstehzeit, Arbeitsweg, wiederkehrende Termine, etc. Es braucht dazu natürlich mehr Rechenleistung. Und KI Software, die anhand unserer Alltagsroutine folgerichtige Entscheidungen treffen kann. Wie dies aussehen könnte, ist schon heute beim «Ambiente Mode» des Google Assistenten zu sehen, der anhand der vergangenen Ereignisse Rückschlüsse zu ziehen versucht, was als nächstes kommen könnte.

Erinnerungen an die kleinen Piepser

Wussten Sie, dass die Smartwatches einen populären Vorgänger haben, der vor 30-40 für ein ganz neues Lebensgefühl stand? Ein kleiner Annäherungsversuch an ein Phänomen mit kleinen LCD-Ziffern und an eine Zeit, die zunehmend in Vergessenheit gerät.

casio

Welches ist der typische Klang, der die 70er und 80er prägte? Und erst verhallte, als ihn eine neue Technologie verdrängte? Die synthetischen Klänge der Homecomputer von Commodore, Texas oder Sinclair? Oder die elektronischen Spielzeuge, die mit ihrem quäkenden Lärm den letzten Nerv ausreissen konnten? Nein. der Klang, den ich meine, kam vom Handgelenk. Genauer: Von den digitalen Armbanduhren, die sich in den 70er Jahren anschickten, die Welt zu erobern. Sie waren schon damals weit mehr als ein prosaischer Zeitgeber für den Alltag. Die billigen, aber dennoch schmucken Digitalticker waren wesentlich mehr, sie wurden zum Sinnbild eines neues Lebensgefühles, für eine neue, digitale Welt; sie waren wie eine Verheissung zu einer aufregenden Technologie-Zukunft, die alte Grenzen sprengt.

Die faszinierende Geschichte der Digitaluhr beginnt in den frühen 70er Jahren. Es war die «Pulsar 1» von Hamilton, die für Furore sorgte, eine Armbanduhr, welche die Zeit auf Knopfdruck in rot schimmernden LED-Ziffern anzeigte – wenn auch nur für 1.5 Sekunden. Willkommen in der digitalen Zukunft! Der kleine elektronische Ticker hatte trotz etlicher Unzulänglichkeiten und eines hohen Preises einen bahnbrechenden Erfolg. Er fand den Weg in einen James Bond Film und wurde so über Nacht weltbekannt. Sogar der schrullige Inspektor Columbo erlag der Faszination, als er das technische Wunderwerk am Handgelenk eines technophilen Mörders entdeckte (Folge «Replay»).

Allein die digitale Armbanduhr wäre wohl eine zeitliche Anekdote geblieben, wenn nicht Longines 1973 das LCD Display erfunden hätte. Dank diesem konnte die Zeit ohne Unterbrechung angezeigt werden, die Batterie hielt trotzdem mehrere Jahre durch. Und LCD Displays waren billig herzustellen. Dies rief die fleissigen Japaner auf den Plan, Casio, Seiko und Citizen. Sie brachten innerhalb von wenigen Jahren Digitaluhren auf den Markt, die bald für weniger als 100 Franken zu haben waren. Und damit öffneten sie alle Schleusen. Billige, aber dennoch präzise und zuverlässige Zeitgeber kamen in den Krisenjahren der späten 70er gerade recht! Bald waren die Piepsgeräusche der Casio- und Seiko-Uhren omnipräsent, nicht nur in Schulzimmer.

Die japanischen Armbanduhren wurden billiger und billiger, warteten aber mit immer neuen «Bells und Whistles» auf. Und das ist wortwörtlich zu nehmen, etwa bei der Casio «Melody», die ihr Umfeld mit ganzen Melodiefolgen erfreuen konnte. Eingebaute Taschenrechner und Notizfunktionen bereiteten der Lehrerschaft zusätzliches Kopfzerbrechen. Denn jetzt war die Uhr Nervensäge und Spickzettel in einem. Und während ältere Semester zunehmend die Nase rümpften und sich wieder eine schicke Analoguhr leisteten, fanden Casio & Co. bei Teenagern offene Herzen. Wer «in» sein wollte, musste mindestens mit einer Basis-Casio aufwarten: Die Stoppuhr und der Timer waren das mindeste. Und während auf dem Pausenhof arglos kopierte Disketten mit C64-Games den Besitzer wechselten, wurde die neusten Ticker eifrig inspiziert!

Nur wer es selbst erlebt hat, kann dies in seiner ganzen Dimension erfassen: Während der US Präsident Ronald Reagan in den Nachrichten die Pershing Raketen lobte, sassen wir in einem verdunkelten Zimmer und interessierten und herzlich wenig für Weltpolitik. Wir sassen vor einem Fernseher, an den wir einen VHS Recorder angeschlossen hatten. Und dann schwebten Han Solo und Luke Skywalker mit dem Millenium Falcon durch die Galaxien, die Starwars Filme waren für uns eine Offenbarung. Weg vom grauen Alltag öffnete sich die Weite und Faszination des Alls, die hell schillernde Welt der Science-Fiction. Und, dies ist ganz bedeutend: Mit der Casio oder Seiko am Handgelenk waren wir selbst ein Teil von diesem neuen Lebensgefühl. Die Uhr gab und das Gefühl, nicht nur dabei zu sein, sondern mittendrin.

Irgendwann wurden wir älter und die Regenbogenfarben der 80er Jahre verblassten. Mit unserem Erwachsenwerden kam das Handy. Die neuen Trendsetter wollten keine Armbanduhr mehr, erst recht keine auffälig billige! Zudem konnte das Handy alles, was eine Casio «Databank» konnte – und noch einiges mehr! Die 90er Jahre kamen und mit ihnen die stabilen «GShock» Uhren, die das vorläufige Ende der Faszination für die Digitaluhren einläuteten. Dann wurde es zunehmend still um Citizen & Co.

Und heute? Heute will die Smartwatch den Platz der Digitaluhr endgültig einnehmen. Aber eigentlich wirkt sie neben einer Casio mit Taschenrechner trotz all ihrem technischen Protz ziemlich farblos. Woran liegt das? Ganz einfach: Die modernen Smartwartches sind Retorten-Erzeugnisse. Sie existieren, weil Apple, Samsung und Motorola sie am Markt etablieren wollen. Die Uhren, deren Akku schon nach einem Tag schlapp macht, sollen ein neues Kundenbedürfnis wecken. Dies fällt ihnen aber weiterhin schwer, denn ausser einer Verlängerung des Smartphones zum Handgelenk bieten sie keinen echten Mehrwert. Wie ganz anders war da der Siegeszug der Digitaluhr. Sie erfüllte gleich mehrere Kundenwünsche einer ganzen Generation. Und sie stand am Beginn der Digitalisierung unseres alltäglichen Lebens. CD-Player, DVD, Computer und Internet folgten.

Das ist wohl auch der Grund, weshalb Casio noch einmal nachgelegt hat. Digitaluhren im Retro-Style der 80er Jahre sind wieder erhältlich und stehen bei Amazon ganz oben auf der Erfolgsliste verkaufter Uhren. Die Casio A158WA zum Beispiel. Sie hat ein Stahlgehäuse und kostet trotzdem weniger als 30 Franken. Zwar kann sie keine SMS empfangen und keine Whatsapp-Nachrichtren versenden. Aber die integrierte Batterie hält für mindestens sieben Jahre! Welche Smartwatch kann das?